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Die Leb ensrettungs -Medaille.

dann zu viel kostet — ich frage, was soll Ich dann noch hier?
Darum fort, ehe all' diese Elender über mich Hereinbrechen!"
Bei dem Gedanken, daß einmal eine branntweinlose Zeit über
ihn kommen könnte, hatten sich die Gesichtszüge des Süffels
in elegische Falten gezogen.

„Wenn Sic aber", versetzte ich, „sich retten lassen wollen,
so müssen Sic ja dann doch weiter leben?"

„Das brauche ich nicht!" antwortete Beutel in wieder
festerem Tone. „Wenn ich mein Geld und Sie Ihre Rettungs-
medaille haben, kann mir kein Mensch verwehren, noch einmal
in's Wasser zu springen."

Gegen die Logik dieser Rede war allerdings nichts einzn-
wenden. Um mir den Kerl vom Halse zu schaffen, sagte ich
endlich: „Hier haben Sie 3 Mark, da ich annehme, daß Sie
sich in Roth befinden." Ich schämte mich innerlich dieser Noth-
lüge; ich wußte ja genau, daß der Urian das Geld sofort in's
Branntweinhaus tragen würde.

„Ihren Plan, in's Wasser zu springen", fuhr ich fort,
„geben Sie nur auf, denn Ich rette Sie nicht! Sollten
Sie sich wieder einmal in großer, d. h. sehr großer Roth be-
finden, dann gestatte ich Ihnen, sich an mich zu wenden."

Das letztere Anerbieten fiel mir ungemein schwer, denn ich
ahnte, daß ich mir dadurch einen Blutigel an den Hals setzte.
Doch ließ sich in dieser kritischen Situation vorläufig nichts
Klügeres thun.

In seliger Freude beäugcltc Beutel den erhaltenen Drei-
märker ; wahrscheinlich gedachte er der großen — vorläufig noch
nicht durch die Branntweinsteuer vertheucrten — Schnapse, welche
für das Geld erhältlich waren.

Ich glaubte ihn nun los zu sein. Er kam jedoch nochmals
ans das Selbstmordthema zurück. Meine Gäbe schien ihn dazu
ermuthigt zu haben.

„Also den Sonnabend!" sprach er. „Im Erlenwinkel —
Sie kennen ja den Ort! Ich denke, in den Abendstunden wird
cs am Besten passen. Es gehen da viele Arbeitsleute vorbei
und nach Hause. Sic haben dann gleich die nöthigen Zeugen."

„Fort! Fort!" rief ich nun, erbost über die Frechheit.
„Machen Sic übrigens, was Sie wollen!"

Beutel verschwand hierauf eiligst. Da saß ich recht nett in
der Tinte d'rin. Vorderhand ließ sich gar nicht absehen,
wie die Geschichte zu gutem Ende geführt werden könne. Denn
daß Ehren-Beutel eine complete Zwickmühle aus mir machen
würde ans dem Piedestale meines planlos gegebenen Versprechens,
ihm aus der Roth helfen zu wollen, verstand sich bei dem
Charakter dieses Edlen von selbst. Er befand sich ja auch, bei
Lichte besehen, immer in Roth. Hätte ich den Kerl sofort mit
Vehemenz zur Thür hinausgesteckt, war die Sache wahrscheinlich
erledigt. Ich war den ganzen Tag übler Laune.

Monsieur Beutel hatte meine Zusage rechtschaffen benutzt
und sich mehrere Male „in der Woche vor seinem Tode" die
Hand von mir versilbern lassen. Ich gab ihm zähneknirschend

und schweigend. Er machte es ebenso und verduftete jedesmal
wortlos, um das Empfangene energisch dem Schnapsgotte zu
überweisen.

Der Sonnabend kam. Ich war doch ein Bischen neu-
gierig geworden, wie die Komödie enden würde. Da erschien
der „präsumtive Selbstmörder" und meldete mir, daß er heute
Abhaltung habe; er beabsichtige, erst nächsten Sonnabend in's
Wasser zu springen. Also eine Verschiebung der Vorstellung,
„eingetretener Hindernisse wegen". Ich mußte hellauf lachen,
als mich der Todeskandidat verlassen. Natürlich konnte er heute
nicht Wasser schlucken, da er wahrscheinlich noch von meinen
Brandschatzungsgeldern besaß, um sich dafür Kümmel durch die
Gurgel laufen lassen zu können. Wenn ich fort und fort das
nöthige Geld zum Trinken hergeb, so wäre Beutel von seinen
Selbstmordgedanken gewiß zurückgekommen und hätte ich ihm
ans diese Weise sozusagen auf „trockenem Wege" das Leben
gerettet. Schade nur, daß für derartige Mühen die Medaille
nicht verliehen wird.

Die nächste Woche verging unter den zeitweiligen Besuchen
Beutels. Endlich, am Freitag, da er mich eben wieder gebrand-
schatzt hatte, sprach er:

„Also morgen! Vergessen Sie nicht, Herr Griesbach!"

„Geh'n Sie zum Henker, oder sonst wo hin!" rief ich ent-
rüstet. „Was kümmert's mich, was Sic Vorhaben! Und das
sage ich Ihnen hiermit: Sie haben heute das letzte Geld
von mir erhalten, da Sie meine Güte aus das Gewissenloseste
gemißbraucht haben!"

Dem Trunkenbold kam diese energische Sprache höchst un-
erwartet. Prlifenden Blickes sah er mich an, ob ich cs auch
im Ernste meine.

„Sie wollen mir also nichts mehr geben, wenn ich komme?"
frug er endlich.

„Nein! Keinen Pfennig mehr!"

„Gut, dann gehe ich erst recht in's Wasser. Ich weiß.
Sie kommen doch hin. Denken Sie an die Medaille!"

Mit diesen Worten suchte er das Weite.

(Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Lebensrettungs-Medaille"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Albrecht, Henry
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 86.1887, Nr. 2166, S. 34
 
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