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Die Lebensrettungs-Medaille.

(und das konnte er doch immerhin sein, da die Rettung durch
mich sehr zweifelhaft war), aß und trank in aller Behaglichkeit,
während ich — den die Geschichte doch eigentlich nichts an-
ging — mit wachsender Unruhe hin und her wandelte, als
wäre Ich eigentlich derjenige, welcher den Selbstmord beabsichtigte.
Einzelne Menschentrupps, die ich von ferne daherkommen sah,
belehrten mich, daß Beutel richtig kalkulirt: Das waren die
Arbeiter, welche jetzt heimwärts zogen.

Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff, dem kurze Zeit darauf
ein lauter Klatsch iills Wasser folgte. Mechanisch hoben sich
meine Füße, um zum Erlenwinkel zurückzukehren. Beutel war
richtig im Wasser. Doch schien er noch festen Grund unter
den Füßen zu haben, obwohl ihm die Fluth fast bis an den
Hals reichte. Ob er schwimmen konnte, wußte ich nicht,
wenigstens niachte er jetzt keinen Versuch dazu.

„Gehen Sie von der anderen Seite herein — da sind —
höhere Stellen — im Wasser!" rief mir Beutel mit heiserer
Stimme zu. „Aber eilen Sie sich, man hört schon Leute
kommen! Rufen Sie — nur recht laut um Hülfe — ich
verliere den Boden — unter den Füßen. — Auf die —
30 Mark — müssen — Sie noch etwas — darauf legen!"

Es läßt sich schwerlich schildern, wie mir bei den stoßweise
hervorkommenden Ausrufen Beutels zu Muthe war. Meine
schon früher erwähnte Furcht vor jedwedem fließenden Wasser
packte mich jetzt — gerade zur Unrechtesten Zeit — mit Riesen-
gewalt, und gleichwohl war es die höchste Zeit, daß etwas
geschah, denn augenscheinlich sank Beutel tiefer. Meine Stimme
versagte den Dienst, dafür rief nun mein Complice um Hülse.
Diese Vorgänge drängten sich natürlich in den Raum weniger
Secunden zusammen. Das eilige Herbeilaufen mehrerer Menschen,
welche vermuthlich die Hülferuse Beutels gehört hatten, ließ sich
jetzt vernehmen. Dieser Umstand bannte meine Furcht insoweit,
um wenigstens noch einigen anderen Gedanken Raum zur Ent-
faltung zu lassen. Blitzschnell kam ich zu der Ueberzeugung,
daß, wenn ich jetzt nicht handelte, in wenige Augenblicken andere
Retter zur Stelle sein, und mir die so lang ersehnte Gelegen-
heit, die Medaille zu verdienen, zu Nichte machen würden.

Nein! Darum Math gefaßt und hinein in das Wasser!

Mit einer Todesverachtung, wie ich sic vordem nie-besessen,
und die mir jetzt noch märchenhaft vorkommt, watete ich durch
die Fluth auf Beutel zu.

„Fassen Sie mich um den Leib!" rief mir dieser zu. Das
Wasser reichte mir bereits bis zur Brust, trotzdem streckte ich
schon von Weitem die Arme aus, um dem Wunsche Beutels
nachzukommen. Da trat ich wahrscheinlich in eine Untiefe;
wie durch Zauberei entwich mir der Boden unter den Füßen,
ich sing an zu sinken — tiefer und tiefer; — Brausen Vör-
den Ohren — Glockengeläute — dann hörte ich nichts mehr.

Da ich den Schluß der Geschichte selbst erzählen kann, so
wird der scharfsinnige Leser sofort daraus schließen, daß ich
bei dieser Affaire nicht ertrunken bin. Nach den Schilderungen
der Zeugen wäre es allerdings mit mir vorbei gewesen; mein
Lebensretter aber war — Beutel! Daß ihn zu dieser That
nicht die Menschenliebe getrieben, sondern das Verlangen, sich
in mir eine stets frisch fließende Geldquelle zu erhalten, ist
beinahe für gewiß anzunehmen. Doch darf ich ihm nicht einmal
Vorwürfe darüber machen, da ja meine eigene Lebensretterei
ebenfalls auf etwas dunklerem Grunde, als der Menschenliebe,
ruhte.

Zur Ehre des Kümmelhelden sei aber noch ausdrücklich er-

wähnt, daß er (laut Zeugenbericht) wirklich mit un-
erhörter Anstrengung an meinem Rettungswerke ge-
arbeitet hatte. Fast wäre er selbst dabei zu Grunde
gegangen (und ich natürlich mit), denn als er niit
unsäglicher Mühe — selbst tief im Wasser stehend
— mich aus der Untiefe heransgerissen (ich wiege

fast zwei Ccntner) hatte er nicht mehr Kraft genug

besessen, sich und meine Last bis zum Ufer zu schleppen,
so daß dann die herbeigeeilten Arbeiter das Ihrige
noch thun mußten.

Soweit war demnach die Sache in Ordnung,
d. h. ich und Beutel auf dem Trockenen. Das dicke

Ende — wie man zu sagen pflegt — kam jedoch

nach. In Erwägung, daß mich mein edler Freund
und Rettungsgenüsse, laut einstimmigen Zeugnisses der
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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Die Lebensrettungs-Medaille"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Albrecht, Henry
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 86.1887, Nr. 2167, S. 42
 
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