Fliegende Blätter (90.1889 (Nr. 2267-2292))

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Der Rösselsprung

Ballade.

Der greise Fürst von Eschenbach mit seiner Gattin, blond und jung,

Er sitzt im düstern Burggemach und rnth an einem Rösselsprung.

Er löst ihn nicht und löst ihn nicht, ob er sich grausam quält

und müht;

Wie Purpur flammt sein Angesicht, und auch Griseldis brennt und

glüht.

„Es ist zu finster, hol's der Hund!" so seufzt er laut in grimmer Pein,

„Der Butzenscheiben trübes Rund läßt viel zu wenig Licht herein!"

„Vielleicht steht hier der Tisch zu weit", so ächzt Griseldis bang

und schwer,

„Auch hindert mich mein Gretchenkleid; am Taillenband genirt's

mich sehr!"

Und stöhnend nimmt Fürst Eschenbach zum Rathen sich erneuten

Schwung;

Er sitzt im finst'ren Burggemach und räth an einem Rösselsprung.

„Verwünschte Wirthschafl!" brüllt er laut und schlägt empört sich

auf das Bein,

„Wer solch' verzwickten Druck verdaut, deß' Auge muß von Marmor

sein!"

„Jawohl, das ist's, der schlechte Druck!" bestätigt sie und seufzt dabei,
Und er, mit einem tvilden Ruck, reißt ungestüm das Blatt entzwei.

Er hebt die ringgeschmückte Faust und schreit ein wetterschwüles Wort,
Und schleudert zvrnesgluth-umbraust die Stücke einzeln von sich fort.

Der Knappe Kuno sieht's von fern und stürzt herbei in jähem Lauf,
Und nimmt — er bückt sich ja so gern! die Fetzen rasch vom

Boden auf.

Er prüft — und löst den Rösselsprung und lispelt knabenhaft verwirrt:
„O Gott! Wie oft doch Alt und Jung sich im Causalgefüge irrt!

Es steht der Tisch hier nicht zu weit, das Fenster dort ist licht und groß,
Vortrefflich sitzt das Gretchenkleid, und auch der Druck ist tadellos.

Daß Die nicht rathen, was so schlicht, und nicht ergründen, was so klar,
Ich schwör's bei'm ew'genWmmelslicht: ganz and're Gründe hat's

fürwahr!