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84 Von der Erde und ihren Bewohnern,

gleich alt in den Handel kommen und so lang sie neu und

schön sind, gar keinen Werth haben.

Der meistbegünstigte Kulturfleck der Erde aber war Griechen-
land, dessen Götter aus Schillert Gedichten jedem Gebildeten
bekannt sind. Während bei uns die Gymnasisten mit Mühe
und Noch nach neunjährigen Studien kaum griechisch lesen
können, verstand der gemeinste Grieche schon als Kind griechisch
zu sprechen. Recht gebildet waren auch die Römer. Romulus
und Remus erbauten Rom. Da sic keine Architekten besaßen,
steht die Stadt heute noch. So sehr die Römer Prachtbauten
liebten, so wenig Mühe verwendeten sic auf Kleidung. Erst als
Julius Cäsar mit den Meiningern bekannt lvurde, begann in
der Ausstattung von Kostiimen und Waffen ein neuer Aufschwung.

Äie Germanen waren ein gutmüthiges Volk. Wer ihnen
in den Weg kam, den erschlugen sie, thaten aber sonst Niemand
etwas zu Leid. Ihre Lieblingsbeschäftigung war Trinken und
Singen. Wenn sie Ausflüge machten, nahmen sie die Regens-
burger Quartetten mit. Sie sangen bei Allem, was sie thaten.
Oft erschlugen sie Einen, nur um singen zu können. Erhielt
Einer den Giftbecher, so sang er: „Wem bring ich wohl das
erste Glas?" und wurde im Walde gekämpft, so ertönte: „lieber
allen Wipfeln ist Ruh'". Die Götter der Germanen wohnten in der
Walhalla, welche die Architekten Fashold und Fasner erbauten.
Denselben erging es, wie beim Bau des neuen Burgtheaters in
Wien — cs wurden die wichtigsten Dinge vergessen. Die Götter
mußten sich z. B. Mangels einer Zugbrücke eines Regenbogens
bedienen und konnten daher nur bei schlechtem Wetter ausgehen.

Die welterschütternde Bewegung nach der Völkerwander-
ung brachte eine vollständige Umwälzung der Kultur mit sich.
Es erschienen die Franken, ein muthiges Volk. Sie kamen
meist ihrer zwanzig, wo sie Napoleond'or's genannt wurden. Sie
dominiren heute noch in Frankreich, Italien und in der Schweiz,
wo sie in Rappen umgewechselt werden können. Die Lango-
barden, auch Lombarden genannt, später von Karl dem
Großen besiegt, stehen jetzt an der Wiener Börse 98 '/*. Die
Burgunder starben längst aus; erscheint er auch hie und da
an einer Tafel, so ist er meistens gepantscht. Die Angel-
sachsen verstanden das Angeln so gut, daß immer mehr Länder
an ihrer Angel hängen blieben.

Nach der Völkerwanderung folgten verschiedene kultur-
geschichtlich wichtige Ereignisse, welche sich indessen hier nicht alle
aufführen lassen.

Die Macht der Kirche stieg, Kaiser Heinrich zog barfuß
über die Alpen nach Canossa; seitdem ist es üblich, bei schwierigen
Klettertouren die Stiesel auszuziehen. In alle Kunstzweige kam
regeres Leben; der romanische Baustyl genügte nicht mehr, es
entwickelte sich allmählich die Gothik. Der Stefansdom in Wien
wurde gebaut — leider durch das gegenüberliegende Rothbergerhaus
zu sehr gedrückt. Man wußte lange nicht, wo man den Kölner Dom
hinbauen sollte; die Wahl fiel endlich auf Köln. Der Baumeister,
der den Grund gelegt hatte, starb noch vor deni Ausbau der
beiden Thürme.

Die großen Entdeckungen zur See brachten große Um-

wälzungen mit sich. Christof Kolumbus, ein Genuese von
Geburt, war in Gesellschaften sehr beliebt, da er Kunststücke mit
Eiern machen konnte. Gerstäcker's Romane ließen ihm keine Ruh;
er fuhr längs des Wendekreises des Krebses fort, bis er in
Amerika ankam; er wurde mit Orden und Ketten belohnt, welche
an seinen Füßen angeschmiedet wurden. Die Schulbildung war
in Afrika schon damals vorzüglich. Wir wissen aus dem zweiten
Akte der „Afrikanerin", daß eine gewisse Selica, Exkönigin von
Madagaskar, dem Vasco de Gama genau den Weg nach Indien
aus der Karte explicirte. Ferdinand Magelhaens wurde auf 'den
Philippinen von den Bewohnern freundlich empfangen; sic ver-
anstalteten ihm zu Ehren ein Festessen, bei welchem sie ihn
selbst auffraßen. Ferdinand Cortez wurde von Niemann in
Berlin am besten dargestellt.

Die Reformation brachte gräßliche Kriege mit sich; die
Hugenotten wurden furchtbar verfolgt; ihre grimmigsten Feinde
waren die Wagnerianer. Die Wiedertäufer, eine fanatische
Sectc, zogen mit ihrem Propheten selbst bei Sonnenaufgang
umher. Da sie aber, so oft sic erschienen, immer dieselbe Stelle
sangen, wurden sie dem Publikum bald langweilig. Die be-
deutendsten Propheten waren später Tichatschek und Ander.

Eines Tages hatte ein gewisser Johannes Gutenberg ein
frisch angesertigtes Manuscript auf dem Tische liegen. Unbemerkt
setzte sich sein einjähriges Söhnchen darauf. Gntenberg erschrak
Anfangs heftig, entdeckte aber später an seinem Söhnchen den
genauen Abdruck des Mauuscripts; dies brachte ihn zum Nach-
denken, und er erfand die Buchdruckerknnst. Italiener und
Niederländer waren es, die sich die größten Verdienste um die
Entwicklung der Renaissance erwarben, wofür ihnen das heutige
Kunstgewerbe nicht dankbar genug sein kann. — Rubens malte
nnt Vorliebe seine eigene Frau. Im Belvedere in Wien erhielt
sic wegen der dort herrschenden Kälte einen prachtvollen Pelz-
mantel, der ihr aber, da die neuen Museen wärmer sein dürften,
demnächst wieder abgenommen werden soll. Die weltliche Musik
pflegten seit dem zehnten Jahrhundert die Minnesänger und
Troubadours. Letztere sangen meistens hinter der Scene, bevor
sic auftraten. Der Troubadour besaß gewöhnlich kein Vermögen,
aber eine Arie, die er häufig wiederholen mußte. — Stephenson
fuhr einmal mit dem gemischten Zug 4.25 früh von Kempten nach
Lindau. Das brachte ihn auf die Idee: Sollte es nicht möglich
sein, schneller vorwärts zu kommen? Und er erfand die Locomotive.

Der bedeutendste Kulturträger der Gegenwart ist die Schau-
spielkunst — besonders seit sie sich mehr ans Reisen begibl.
Athemlos lauscht jetzt das Publikum dem stylvoll wirklichen
Zuklappen der Schlösser im Hause Octavio Piccolomini's; ge-
radezu störend treten freilich dazwischen die Verse des Dichters.
Der Helm und Harnisch aus Pappe werden immer unmöglicher.
Unsere Vorfahren waren wegen jeglichen Mangels an Waffen-
lärm in der „Jungfrau von Orleans" gezwungen, ans die Worte
der Schauspieler zu achten. Die Zeit ist hoffentlich nicht mehr
ferne, wo es während des Sonnenaufganges in der Rütli-
Scene so kalt wird, daß sich das Publikum die Mäntel ans
der Garderobe holt. Stempel.
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