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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0024
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ULRICH HUSSONG

boten ohne Hausbesitz und Juden —, die allen
Pflichten der Bürger unterworfen waren, nicht
aber deren Recht auf politische Mitwirkung bean-
spruchen konnten und auch kein zunftmäßiges
Handwerk ausüben durften, belief sich ständig auf
über ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Un-
terscheidung Bürger — Beisassen hielt sich sehr lang.
Nach einer Beschwerde der Bürger im Jahre 1770
beschloß der Rat, daß die Beisassen in den Wäldern
kein Holz lesen durften.138-1 18 02 mußten sie unge-
messene Dienste bei der Besserung von Wegen und
Gräben leisten, zwei Tage im Jahr die Bäche reini-
gen und bei der Feuerwehr mithelfen.139) Der
Manngulden, den der nicht vollberechtigte Teil der
Bevölkerung zahlen mußte, wenn er ein Handwerk
ausüben wollte, wurde noch 1852 erhoben; die
Zahl der Beisassen betrug in diesem Jahr 76.43 Die
neuen Bürger zahlten bei der Ablegung des Bürger-
eides ein Bürgergeld und mußten außerdem zur
Bekämpfung der Feuersbrünste einen Ledereimer
vorweisen (belegt ab 1510).141)
Die Gesamteinwohnerzahl selbst ist nur schwer
zu schätzen. Für 1397 ist die älteste städtische Jah-
resrechnung erhalten. Die mit ihr überschlägig er-
mittelte Bevölkerungszahl von 4000 Personen ist
zugleich die höchste für Mittelalter und frühe Neu-
zeit. Erst um 1800 dürfte sie wieder erreicht wor-
den sein.142-1
Wie oben erwähnt, galten die mittelalterlichen
Statuten in der Neuzeit im wesentlichen fort. Gele-
gentlich gab die Stadt etwas Geld aus, sie „in eine
richtige form zu bringen und reinzuschreiben“.143)
In einer Redaktion Ende des 16. oder Anfang des
17. Jahrhunderts legte der Rat unter dem Titel
„radthauss fride“ fest, daß jeder, der auf dem Rat-
haus oder der Vorlaube einen anderen schlägt oder
dort rauft, einer Strafe von zehn Mark verfallen ist,
die sich verdoppelt beim Ziehen einer Waffe.144) Der
seit Anfang des 16. Jahrhunderts veränderten Stel-
lung des Schultheißen145^ wird Rechnung getragen,
indem er Sitz im Rat erhält und ohne ihn keine Sit-
zung stattfinden soll. Ohne sein oder des Amt-
manns Wissen darf niemand aus dem Gefängnis
entlassen werden, ebenso wird ihm oder dem Amt-
mann in Anwesenheit beider Räte über die Ge-
schoßeinnahmen Rechenschaft abgelegt146-1; diese
Einnahmekontrolle gewährte einen gewissen
Überblick über die Entwicklung der Finanzen. Die
Viermänner, seinerzeit von den Gilden dem Rat
aufgenötigtes Kontrollorgan, verloren also einen
Teil ihrer Funktionen. Der Kontrolle der Ende des
15. Jahrhunderts entmachteten Gilden diente die
Bestimmung, Bürger und Handwerker sollen sich
nicht ohne Vorwissen von Schultheiß und Rat ver-
sammeln.147-1 1570 wurde eine neue Geschoßord-
nung eingeführt, die neben der festen Abgabe auf
Hausbesitz und den Zahlungen für Bierbrau und
Grundbesitz eine Vermögenssteuer von P/4% jähr-

lich festlegte.148) In der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts wurde die Wehrverfassung modifiziert
und den Bürgern, die nicht zum Kriegsdienst aus-
ziehen, befohlen, vor dem Rathaus mit dem besten
Gewehr zu erscheinen und ferneren Bescheid abzu-
warten.149)
In einer Zeit, in der alle Lebensäußerungen klein-
lich reglementiert wurden, blieben auch die Ver-
gnügungen auf dem Rathaus nicht verschont. Beim
Tanz sollen die beiden Brautdiener dafür sorgen,
„daß die jungen gesellen und jungfrawen umb vier
uhr nachmittages vom rathause abegehen und der
tantz geendigett sey, damit man umb fünff uhr zu
tische gehe und anrichten lassen könne“.150) Später
hieß es, zur Vermeidung der Strafe von einem Mal-
ter Hafer, daß die Teilnehmer eines Tanzes auf dem
Rathaus oder dem Hochzeitshaus sich „fein ehr-
barlich zichtig halten und das unordtliche schläu-
dern, umblauffen und verdrehen gantzlich unter-
lassen“ sollen; 1578 wurden 18 Männer wegen die-
ses Delikts bestraft.151) Ob die Statuten weiterhin
wie im Mittelalter öffentlich einmal im Jahr verle-
sen wurden, ist nicht bekannt, aber für das 16. Jahr-
hundert zu vermuten.152) Zur öffentlichen Bekannt-
machung wurde 1666 ein Brett angeschafft, an dem
die Hochzeitsordnung angeheftet wurde.153)
Die Veränderungen der Ratsverfassung
zu Beginn des 16. Jahrhunderts
Die Ratsverfassung Duderstadts, wie sie sich im
13., 14. und 15. Jahrhundert ausgebildet hatte, er-
fuhr zu Beginn des 16. Jahrhunderts einige wichtige
Modifikationen, um dann bis zur zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts nahezu unverändert fortzube-
stehen.
1515 reagierte der Erzbischof von Mainz auf er-
neuten Zwist zwischen Rat und Gilden. Während
eines Besuchs in Duderstadt verpflichtete er Rats-
herren aus dem Kreis der Gilden zur strengen Ver-
schwiegenheit über Verhandlungen im Rat und ver-
bot Gilden und Gemeinheit, sich ohne Wissen und
Willen von Bürgermeister und Rat zu versammeln.
Seinen Amtsträger, den Schultheißen, setzte er an
die erste Stelle im Rat und sicherte ihm Bürger-
rechte zu, da er auch die bürgerlichen Lasten zu
tragen hatte.154) Nur wenige Jahre später flammte
der Streit erneut auf. Diesmal waren die Zehrungen
des Rates der Stein des Anstoßes, auch die Auswahl
der Personen, die vom Rat angestellt wurden, stieß
auf Kritik. Der Kurfürst schickte Kommissare, die
Anfang; 1521 einen Vergleich schlossen, der die
Gilden weiterhin von den Geschäften der Stadtver-
waltung ausschloß und andererseits „übermäßige
Zehrung“ des Rates verbot mit der bezeichnenden
Begründung, „damit desto mehr geldes erspart
werde, die Stadt zu befestigen undt zu anderen ge-
meinen Stadt nutzen.“155) Dennoch wurden die

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