REINER CUNZ
Die Auswertung der Altersstruktur von Einzel-
fundkomplexen ist nicht unproblematisch. Aus der
Untersuchung der Streuung der Münzen in Schatz-
funden nach ihren Emissionsdaten bzw. des soge-
nannten „Bildungsalters“ ist bekannt, daß sich
Münzen über Jahrzehnte, manchmal sogar über
Jahrhunderte hinweg im Geldumlauf gehalten ha-
ben. Auch hier wird durch das Realwertprinzip
deutlich, daß eine Münze wegen ihres inneren Wer-
tes z.T. sehr lange umlaufen konnte. Freilich war
dem gerade beim Kleingeld durch einen erhöhten
Abnutzungsgrad Grenzen gesetzt. Mit dem Präge-
datum einer einzeln gefundenen Münze läßt sich le-
diglich ein terminus post quem, d.h. ein Zeitpunkt
nach dem der tatsächliche Verlust erfolgt sein kann,
angeben. Eine genauere Datierung ist bei dem ge-
genwärtigen Forschungsstand nur teilweise mög-
lich32^. Bezogen auf den Fundkomplex Duderstadt
bedeutet dies, daß die älteren Fundmünzen durch-
aus erst im Laufe des 16. Jahrhunderts aus dem
Geldumlauf ausgeschieden sein können. Zudem
handelt es sich bei den Hohlpfennigen um einen
langlebigen „type immobilise“ in der jeweiligen
städtischen Münzprägung. Eine Feinchronologie
ist für diesen Münztyp außerordentlich schwierig.
Mit seiner Entstehung seit dem zweiten Drittel
des 16. Jahrhunderts nimmt der Fundkomplex aus
der Branntweinstube eine interessante Stellung ein.
Gerade für diese Zeit ist in den sonst umfangreiche-
ren Fundkomplexen aus Kirchen eine auffällige
Abnahme der Fundmünzenzahl, geradezu eine
Fundlücke festzustellen, die erst unlängst aus wirt-
schaftsgeschichtlicher Sicht diskutiert wurde. Die-
ses Phänomen korrespondiert mit einem allgemei-
nen Rückgang der Münzschatzfunde im 16. Jahr-
hundert, dem als deutlicher Kontrast das 17. Jahr-
hundert, vor allem die Erste Kipper- und Wipper-
inflation als fundreichste Epoche der deutschen
Geldgeschichte gegenübersteht33’. Gerade vor die-
ser Zeit mit ihrem charakteristischen Inflationsgeld
endet auch die Münzreihe aus der Branntwein-
stube. Bei verlorenen Münzen wird gerne ange-
nommen, daß sie eine repräsentative Auswahl aus
dem Geldumlauf seien. Auf einen möglichen Un-
terschied zu Fundkomplexen aus Kirchen muß hier
noch hingewiesen werden. Während es sich bei den
Duderstädter Münzen um verlorenes Geld handelt,
das einen unverfälschten Einblick in den Kleingeld-
umlauf (in einer südniedersächsischen Rathaus-
gaststube zu Beginn der Neuzeit) erlaubt, haben
Kirchefifunde eine Tendenz zur Negativauswahl
geringwertiger, schlecht abzusetzender Sorten.
Ungeachtet der umrissenen Probleme, insbeson-
dere der methodischen Fragen, ist der historische
Quellenwert von Einzelfunden nicht zu unter-
schätzen. Sie sind zunächst hilfreich für die Absi-
cherung archäologischer Datierungen. Die lange
Umlaufsdauer der Münzen ist aber als Unsicher-
heitsfaktor immer zu berücksichtigen. Auch für
vergleichende geldgeschichtliche Fragestellungen
haben sie einen Eigenwert. Das Kleinstgeld des täg-
lichen Bedarfs wird durch Münzschatzfunde selte-
ner überliefert. Münzschatzfunde haben in der Re-
gel eine Tendenz zu wertbeständigen großen und
guten Geldsorten und bieten deshalb auch selten
einen repräsentativen Einblick in den Kleingeldum-
lauf älterer Zeiten. Es ist allerdings festzuhalten,
daß sich die Reihe umfangreicherer Pfennigschatz-
funde über das Spätmittelalter hinaus bis in die
Frühneuzeit fortsetzt34’. Ein deutlicher Schwer-
punkt ist bei den Kleingeldfunden aus dem Fund-
horizont der Ersten Kipper- und Wipperinflation
festzustellen. Sie unterlagen allerdings ganz spezifi-
schen Entstehungsbedingungen. Ein sicherlich un-
gewöhnliches Beispiel aus dem 16. Jahrhundert ist
der angeblich über 40000 Schüsselpfennige umfas-
sende Fund aus dem von Duderstadt nicht allzu
weit entfernten Mühlhausen35’. Zu den späteren
Ausnahmen gehören Kupfermünzenschatzfunde
oder auch ein im Jahre 1981 im südlichen Nieder-
sachsen entdeckter Schatzfund (Schlußmünze
1681) aus der Zweiten Kipperinflation, der fast aus-
schließlich aus Kleinmünzen, darunter 238 Pfenni-
gen, besteht36’. Als besonderer Quellentyp heben
sich noch die Barschaften ab37’. Die Schatzfunde
bieten sich zusammen mit den Einzelfunden bzw.
Einzelfundkomplexen für vergleichende Untersu-
chungen an. Bei der Untersuchung der größeren
Pfennigfunde des 16. und beginnenden 17. Jahrhun-
derts in Franken wurde festgestellt, daß sie zum
allergrößten Teil Pfennige heimischer Fabrik bzw.
angeglichener Währungsgebiete enthalten38’. In
dem 1949 entdeckten kipperzeitlichen Fund von
Hemer-Westig (Schlußmünzen 1620) sind nur ganz
wenige Kippermünzen zu finden. Anstatt dieses
schlechten Geldes der Hochinflation sind in über-
wiegender Zahl die als gut bekannten, älteren vor-
kipperzeitlichen Sorten vertreten39’. Aus Kleingeld
bestehende Münzschätze sind oft nur kleinere Bar-
schaften. Sie deuten auch auf außergewöhnliche
Entstehungsbedingungen in Kriegs- und Krisen-
zeiten hin, die es dem Eigentümer offenbar nicht
ermöglichten, sich für die Kapitalsicherung geeig-
nete Münzsorten zu beschaffen. Bei aller gebote-
nen Vorsicht lassen Kleingeldschatzfunde auch
Rückschlüsse auf den ursprünglichen Eigentümer
zu. Es handelte sich oft um Gewerbetreibende, bei
denen im täglichen Geschäft, bei Zahlungen für
Güter und Dienstleistungen, vor allem Kleingeld
Verwendung fand, so z.B. Bauern, Müller, Bäcker,
Wirtsleute etc. Im Zahlungsverkehr passen sich
nämlich die Nominale in der Regel dem zu zahlen-
den Betrag an40’. Diese Regel läßt sich auch auf den
Fundkomplex aus der Branntweinstube anwenden.
Am Rande sei bemerkt, daß die Preisgestaltung
auch Einfluß auf die Münzprägung haben konnte.
Ende des 17. und im Laufe des 18. Jahrhunderts
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Die Auswertung der Altersstruktur von Einzel-
fundkomplexen ist nicht unproblematisch. Aus der
Untersuchung der Streuung der Münzen in Schatz-
funden nach ihren Emissionsdaten bzw. des soge-
nannten „Bildungsalters“ ist bekannt, daß sich
Münzen über Jahrzehnte, manchmal sogar über
Jahrhunderte hinweg im Geldumlauf gehalten ha-
ben. Auch hier wird durch das Realwertprinzip
deutlich, daß eine Münze wegen ihres inneren Wer-
tes z.T. sehr lange umlaufen konnte. Freilich war
dem gerade beim Kleingeld durch einen erhöhten
Abnutzungsgrad Grenzen gesetzt. Mit dem Präge-
datum einer einzeln gefundenen Münze läßt sich le-
diglich ein terminus post quem, d.h. ein Zeitpunkt
nach dem der tatsächliche Verlust erfolgt sein kann,
angeben. Eine genauere Datierung ist bei dem ge-
genwärtigen Forschungsstand nur teilweise mög-
lich32^. Bezogen auf den Fundkomplex Duderstadt
bedeutet dies, daß die älteren Fundmünzen durch-
aus erst im Laufe des 16. Jahrhunderts aus dem
Geldumlauf ausgeschieden sein können. Zudem
handelt es sich bei den Hohlpfennigen um einen
langlebigen „type immobilise“ in der jeweiligen
städtischen Münzprägung. Eine Feinchronologie
ist für diesen Münztyp außerordentlich schwierig.
Mit seiner Entstehung seit dem zweiten Drittel
des 16. Jahrhunderts nimmt der Fundkomplex aus
der Branntweinstube eine interessante Stellung ein.
Gerade für diese Zeit ist in den sonst umfangreiche-
ren Fundkomplexen aus Kirchen eine auffällige
Abnahme der Fundmünzenzahl, geradezu eine
Fundlücke festzustellen, die erst unlängst aus wirt-
schaftsgeschichtlicher Sicht diskutiert wurde. Die-
ses Phänomen korrespondiert mit einem allgemei-
nen Rückgang der Münzschatzfunde im 16. Jahr-
hundert, dem als deutlicher Kontrast das 17. Jahr-
hundert, vor allem die Erste Kipper- und Wipper-
inflation als fundreichste Epoche der deutschen
Geldgeschichte gegenübersteht33’. Gerade vor die-
ser Zeit mit ihrem charakteristischen Inflationsgeld
endet auch die Münzreihe aus der Branntwein-
stube. Bei verlorenen Münzen wird gerne ange-
nommen, daß sie eine repräsentative Auswahl aus
dem Geldumlauf seien. Auf einen möglichen Un-
terschied zu Fundkomplexen aus Kirchen muß hier
noch hingewiesen werden. Während es sich bei den
Duderstädter Münzen um verlorenes Geld handelt,
das einen unverfälschten Einblick in den Kleingeld-
umlauf (in einer südniedersächsischen Rathaus-
gaststube zu Beginn der Neuzeit) erlaubt, haben
Kirchefifunde eine Tendenz zur Negativauswahl
geringwertiger, schlecht abzusetzender Sorten.
Ungeachtet der umrissenen Probleme, insbeson-
dere der methodischen Fragen, ist der historische
Quellenwert von Einzelfunden nicht zu unter-
schätzen. Sie sind zunächst hilfreich für die Absi-
cherung archäologischer Datierungen. Die lange
Umlaufsdauer der Münzen ist aber als Unsicher-
heitsfaktor immer zu berücksichtigen. Auch für
vergleichende geldgeschichtliche Fragestellungen
haben sie einen Eigenwert. Das Kleinstgeld des täg-
lichen Bedarfs wird durch Münzschatzfunde selte-
ner überliefert. Münzschatzfunde haben in der Re-
gel eine Tendenz zu wertbeständigen großen und
guten Geldsorten und bieten deshalb auch selten
einen repräsentativen Einblick in den Kleingeldum-
lauf älterer Zeiten. Es ist allerdings festzuhalten,
daß sich die Reihe umfangreicherer Pfennigschatz-
funde über das Spätmittelalter hinaus bis in die
Frühneuzeit fortsetzt34’. Ein deutlicher Schwer-
punkt ist bei den Kleingeldfunden aus dem Fund-
horizont der Ersten Kipper- und Wipperinflation
festzustellen. Sie unterlagen allerdings ganz spezifi-
schen Entstehungsbedingungen. Ein sicherlich un-
gewöhnliches Beispiel aus dem 16. Jahrhundert ist
der angeblich über 40000 Schüsselpfennige umfas-
sende Fund aus dem von Duderstadt nicht allzu
weit entfernten Mühlhausen35’. Zu den späteren
Ausnahmen gehören Kupfermünzenschatzfunde
oder auch ein im Jahre 1981 im südlichen Nieder-
sachsen entdeckter Schatzfund (Schlußmünze
1681) aus der Zweiten Kipperinflation, der fast aus-
schließlich aus Kleinmünzen, darunter 238 Pfenni-
gen, besteht36’. Als besonderer Quellentyp heben
sich noch die Barschaften ab37’. Die Schatzfunde
bieten sich zusammen mit den Einzelfunden bzw.
Einzelfundkomplexen für vergleichende Untersu-
chungen an. Bei der Untersuchung der größeren
Pfennigfunde des 16. und beginnenden 17. Jahrhun-
derts in Franken wurde festgestellt, daß sie zum
allergrößten Teil Pfennige heimischer Fabrik bzw.
angeglichener Währungsgebiete enthalten38’. In
dem 1949 entdeckten kipperzeitlichen Fund von
Hemer-Westig (Schlußmünzen 1620) sind nur ganz
wenige Kippermünzen zu finden. Anstatt dieses
schlechten Geldes der Hochinflation sind in über-
wiegender Zahl die als gut bekannten, älteren vor-
kipperzeitlichen Sorten vertreten39’. Aus Kleingeld
bestehende Münzschätze sind oft nur kleinere Bar-
schaften. Sie deuten auch auf außergewöhnliche
Entstehungsbedingungen in Kriegs- und Krisen-
zeiten hin, die es dem Eigentümer offenbar nicht
ermöglichten, sich für die Kapitalsicherung geeig-
nete Münzsorten zu beschaffen. Bei aller gebote-
nen Vorsicht lassen Kleingeldschatzfunde auch
Rückschlüsse auf den ursprünglichen Eigentümer
zu. Es handelte sich oft um Gewerbetreibende, bei
denen im täglichen Geschäft, bei Zahlungen für
Güter und Dienstleistungen, vor allem Kleingeld
Verwendung fand, so z.B. Bauern, Müller, Bäcker,
Wirtsleute etc. Im Zahlungsverkehr passen sich
nämlich die Nominale in der Regel dem zu zahlen-
den Betrag an40’. Diese Regel läßt sich auch auf den
Fundkomplex aus der Branntweinstube anwenden.
Am Rande sei bemerkt, daß die Preisgestaltung
auch Einfluß auf die Münzprägung haben konnte.
Ende des 17. und im Laufe des 18. Jahrhunderts
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