14
KUNST UND RELIGION
das ganze metaphysische Fundament des Kunstwerks aus Eignem zu bestreiten,
das vordem im religiösen Inhalt wurzelte. Daher im 19. Jahrhundert so viel
vortreffliche Malerei und so wenig eigentliche Kunst.
Die ägyptische Kunst war begünstigter. Sie blickte mühelos auf unermeß-
liche Horizonte:
„O ihr Hohenpriester, die ihr im Hause des Ptah seid,
Und ihr Priester von Memphis!
Hütet euch zu sagen:
Wir entfernen dein Bild, das den Herrn der Ewigkeit schaut.
Statue, Leiden.
Ihre Abbilder des Irdischen spiegelten die Unendlichkeit; in ihr ereignete
sich, allen sichtbar, die sinnfällige Bindung des Greifbaren und des Visionären.
Im Einzelnen bestimmte die religiöse Aufgabe Motiv und Gesamthaltung eines
ägyptischen Bildwerkes. Da sie den Menschen beziehungslos, der Außenwelt
entfremdet, dachte, suggerierte sie plastische Stellungen voll Ruhe und Feierlich-
keit, die eine innere Erhebung oder den Inhalt eines Lebens aussprachen;
Statuen, von denen der Gott sagen durfte:
Ich stelle dein Bild in meinem Tempel auf
Und staune über dich. Stele, Thutmoses m.
Sie begünstigte auch die ursprüngliche, im Kunstwollen selbst begründete
Neigung der Ägypter für harte Gesteine wie Granit, Diorit, Basalt.
Schließlich drang auch das Rituelle der ägyptischen Religion als strenger,
ordnender Sinn in die bildende Kunst ein.
III.
Die ägyptische Plastik, die am religiösen Gedanken erwachte, war seit der
Frühzeit eng der Architektur verbunden. Sie war in ein architektonisches
Ganze hineinkomponiert oder zierte, eine entzückende Schöpfung der Klein-
kunst, ein Gerät. Ein Bildwerk solcher Art weist in seiner Anlage und
Gliederung, so begrenzt und bestimmt es in sich sei, stets über sich hinaus
und darf nicht wie ein modernes Atelierwerk beurteilt werden, das seinen
Sinn und Zweck nur in sich selbst trägt. Diese Plastik kommt nirgends zu
ihrem Recht, als an dem ihr vorbestimmten Platz, dessen Maßen, Linien,
Farben und Lichtstärke sie genau entsprach. Dennoch ging die Vollendung
KUNST UND RELIGION
das ganze metaphysische Fundament des Kunstwerks aus Eignem zu bestreiten,
das vordem im religiösen Inhalt wurzelte. Daher im 19. Jahrhundert so viel
vortreffliche Malerei und so wenig eigentliche Kunst.
Die ägyptische Kunst war begünstigter. Sie blickte mühelos auf unermeß-
liche Horizonte:
„O ihr Hohenpriester, die ihr im Hause des Ptah seid,
Und ihr Priester von Memphis!
Hütet euch zu sagen:
Wir entfernen dein Bild, das den Herrn der Ewigkeit schaut.
Statue, Leiden.
Ihre Abbilder des Irdischen spiegelten die Unendlichkeit; in ihr ereignete
sich, allen sichtbar, die sinnfällige Bindung des Greifbaren und des Visionären.
Im Einzelnen bestimmte die religiöse Aufgabe Motiv und Gesamthaltung eines
ägyptischen Bildwerkes. Da sie den Menschen beziehungslos, der Außenwelt
entfremdet, dachte, suggerierte sie plastische Stellungen voll Ruhe und Feierlich-
keit, die eine innere Erhebung oder den Inhalt eines Lebens aussprachen;
Statuen, von denen der Gott sagen durfte:
Ich stelle dein Bild in meinem Tempel auf
Und staune über dich. Stele, Thutmoses m.
Sie begünstigte auch die ursprüngliche, im Kunstwollen selbst begründete
Neigung der Ägypter für harte Gesteine wie Granit, Diorit, Basalt.
Schließlich drang auch das Rituelle der ägyptischen Religion als strenger,
ordnender Sinn in die bildende Kunst ein.
III.
Die ägyptische Plastik, die am religiösen Gedanken erwachte, war seit der
Frühzeit eng der Architektur verbunden. Sie war in ein architektonisches
Ganze hineinkomponiert oder zierte, eine entzückende Schöpfung der Klein-
kunst, ein Gerät. Ein Bildwerk solcher Art weist in seiner Anlage und
Gliederung, so begrenzt und bestimmt es in sich sei, stets über sich hinaus
und darf nicht wie ein modernes Atelierwerk beurteilt werden, das seinen
Sinn und Zweck nur in sich selbst trägt. Diese Plastik kommt nirgends zu
ihrem Recht, als an dem ihr vorbestimmten Platz, dessen Maßen, Linien,
Farben und Lichtstärke sie genau entsprach. Dennoch ging die Vollendung