Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 4,1.1924

DOI article:
Hoeßlin, Julius Konstantin von: Nationale und internationale Kunst: eine psychologische Studie
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42396#0029
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wird, desto größer wird auch die Möglichkeit sein, daß es durch seine unmittelbar
empfundenen Formen eine Einfühlung bewirkt, nicht nur bei den Mitangehörigen des
gleichen Volkes, sondern bei jedem, der die Fähigkeit des sich Hineinfuhlens besitzt.
Uhde und Leibi, die in ihrer Gefühlsweise die deutschesten unter den neueren Malern
waren, haben in Frankreich ihre erste Anerkennung gefunden; Renoir und Cezanne, der
Typus eines Franzosen, fanden andererseits bei uns Widerklang, der dem in ihrem eigenen
Volke nicht nachsteht. Nicht das durch eine lebendige Variierung entstehende Eigen-
artige schließt Menschen vom Menschen ab, sondern die zur Pose gewordene Form,
die aus einer Absicht entsteht und nicht unmittelbar aus dem Innersten wächst.


ALEXANDER KANOLDT STILLEBEN 1923
Ausstellung Deutsche Kunst, Darmstadt 1923
Wer nationale Kunst aus Absicht machen will, wird in Archiven und Sammlungen
herumsuchen müssen, um das „Nationale“ zu finden, das er aber — eine seltsame
Komik — von Kindheit an in seinem Wesen besitzt. Er wird, wenn er gewollt darnach
strebt, nur ein nationales Gewand anziehen, das ihm als ein Gesuchtes doch individuell
fremd ist und das anderen Zeiten angehört. Er wird dadurch sein eigenartiges Völkisches,
das in den Tiefen seines eigenen Wesens lebt, gar nicht wahrnehmen. Der Internatio-
nalist andererseits wird nach dem Allgemeinen suchen, Schemen bilden, leere Gebilde,
 
Annotationen