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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 4,1.1924

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Schmidt, Paul Ferdinand: Hodlers europäische Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.42396#0013
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IIODLERS
EUROPÄISCHE BEDEUTUNG
PAUL FERDINAND SCHMIDT
I E zeitliche Entfernung, in die Hocller uns durch die frühe Entstehung seiner
Meisterwerke und durch seinen Tod gerückt ist, gestattet, ihn als historische
Erscheinung zu betrachten, wie van Gogh oder Seurat. Das vortreffliche Buch von
Ewald Bender, dessen erster Band jüngst in Zürich herausgekommen ist, gibt hierzu
alle Grundlagen mit wünschenswerter Klarheit und Zuverlässigkeit. Jenseits verkehrter
Einstellungen, wie der Krieg sie hervorgerufen hatte, können wir Hodlers Bedeutung
für die europäische Kunst abschätzen} können erkennen, wie seine Entwicklung als
Mittelglied zwischen französischem Impression smus und germanischem Streben nach
Ausdruck verläuft und wie das Werk seiner Mannesjahre sich immer ausschließlicher
als ein Hauptträger des nordischen Ausdruckswillens offenbart.
Am wenigsten darf man Hodlers Bedeutung in seiner Wirkung suchen. Viel eher war
er stets, und ist es noch heute, der Isolierteste: seine schweizerische Vierkantigkeit war
zu eigenmächtig, um ein Vorbild aufzustellen- ganz wie sein Landsmann Böcklin,
dessen Einfluß im Guten überhaupt nicht zu finden ist, und im Unheilvollen so un-
fruchtbar und am Oberflächlichsten haften blieb.
Aber was weder Munch noch van Gogh vermochten oder auch nur erstrebten, das ge-
lang ihm in monumentaler Weise: er hatte als erster Deutscher ein neues Gesetz der
Formbildung aufgestellt und ist damit weiter gelangt als Marees. Dies geschah nicht
etwa infolge des günstigen Umstandes, daß ihm als Schweizer und in Genf Lebendem
der Weg zur romanischen Klarheit geebnet war: Böcklm lebte sogar meist in Italien
und hat nichts weniger als ein Gesetz gefunden, dem doch Marees so nahe kam. Viel-
mehr war der Aufenthalt in dem französisch orientierten Genf für Kodier immer nur
eine schmerzliche Hemmung, bedeutete Verkennung und Not der Einsamkeit für ihn und
hat ihn sicherlich, statt zu fördern, um Jahre zurückgehalten. Denn seine Form hatte
ja nichts mit der romanischen Glätte gemeinsam, wie man sie in der Westschweiz ver-
stand, sie war urgermanisch und mußte sich aus ganz anderen Tiefen ans Licht ringen.
Ein großes Verdienst und ein unbedingt maßgebendes hatte nun allerdings Genf an
seiner Formung, aber es war das beinahe zufällig und durchaus keine Besonderheit
des Ortes. Wie Bender in seiner ausgezeichneten, groß angelegten Biographie Hodlers
überzeugend dargelegt hat, ist es die Lehre von Bartholome Menn gewesen, die auf
Hodlers ganzes Leben bestimmend gewirkt hat. Selber kein großer Künstler und aus
dem Kreise der Corot und Rousseau erwachsen, beruhte Menns Bedeutung auf der
vortrefflichen Lehre, die er seinen Schülern mitgab, und die zu Resultaten doch mü-
der einzige Hodler führte: unbedingte Verehrung der Natur und methodische Dar-
 
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