Archäologischer Befund und Funde
3 BAUPHASE II
Mehrere Fundkomplexe sind anhand der Keramik in flavische bis frühhadrianische Zeit datierbar, enthalten teilweise aber auch älteres
Material17. Die Glasgefäße aus diesen Schichten stammen überwiegend aus flavischer Zeit:
So blieben unter anderem im Peristylhof 31a (Taf. 219.2) die Fragmente von drei Bechern (G 7-9) erhalten, der Hals einer größeren Fla-
sche mit Trichtermündung (G 10) sowie das Wandfragment einer formgeblasenen Rippenschale AR 30.1 (G 11); ein ähnliches Exemplar
ist bereits für die WE 4 belegt18. Dieser Fundkomplex enthielt allerdings auch deutlich ältere Fragmente, wie beispielsweise die Becher
G 7 und G 9, die der Form I 4 und somit noch spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit zuzurechnen sind.
Aus flavischer bis traianischer Zeit stammen die Fragmente eines Fläschchens der Form I 92 (G 12), einer Schale (G 14, o. Abb.) sowie
zweier Becher der Form AR 37.2 -1 34 (G 13.15)19, die im Peristyl-Nordumgang geborgen wurden (Taf. 219.3-4).
Derselben Zeitstellung kann eine Planierschicht im N-Umgang zugeordnet werden (Taf. 219.5)20: Sie beinhaltete eine Schale mit doppelt
gefaltetem Rand (G 17)21, ebenfalls ältere Becherfragmente der Form I 4 (G 18-19), den Hals eines Baisamariums (G 20) sowie einer
größeren Flasche 170 (G 21), zudem ein weiteres Rippenschalenfragment (G 22), diesmal der Form I 3b22. Fundkomplexe mit ähnlicher
Zusammensetzung von Gefäßtypen sind im H 2 bereits mehrfach belegt23.
Auch aus dem Vestibulum 31c konnten Gefäßfragmente flavischer bis traianischer Zeit geborgen werden (Taf. 196; 222.2)24: Eine Schale
AR 13.2 mit flachem Trichterrand und Standring (G 139)25, ein Becher mit gefaltetem Wandsteg (G 140)26, ein Baisamarium der Form
128a (G 141) sowie die Fragmente von zwei askoi (gutti)21 aus Glas (G 142-143): Diese auch als „Saugfläschchen“28 bekannten Gefäße
dienten vermutlich als Behältnis für Öle oder Parfums. Zahlreiche Exemplare sind nahezu zeitgleich beispielsweise in den Thermen von
Apulum belegt29. Die Gefäßtülle wurde entweder angesetzt (G 142) oder im noch heißen Zustand aus der Wandung gezogen (G 143)30.
Formtypologische Verwandtschaft besteht auch zu sog. Vogelfläschchen, gläsernen Parfumbehältern, deren langgestreckte Ausgusstülle
dem Körper eines Vogels nachempfunden ist31.
Mehrere Fundkomplexe in Raum 32b zeigen ein relativ ähnliches Gefäßspektrum: Auch hier handelt es sich um Planier- und Füll-
schichten, die auch älteres Material enthielten (Taf. 200; 225.3-4). So fand sich Keramik und Glas vom Ende des 1. bis zur 1. Hälfte des
2. Jhs.32, darunter weitere Schalenfragmente mit gefaltetem Rand (G 260), ein Becher der Form I 85b mit applizierten Fadenauflagen
(G 261) sowie fünf weitere Becher I 34 (G 262-263, 266-268). Hinzu kommen vier Balsamarien der Form I 28a (G 264, 269-271),
darunter ein komplett erhaltenes Stück (G 271), zudem der Rest eines gitterförmigen Ornaments (G 272).
Auffallend erscheint, dass die hier geborgenen Becher I 34 (G 262-263, 266-268) keinen abgesprengten33, sondern einen verrundeten
Rand aufweisen, was möglicherweise bereits auf lokale Produktion schließen lässt34. Während G 13 und 15 (Taf. 219.4) noch aus farb-
losem bzw. entfärbtem Glas gefertigt sind, bestehen diese Becher aus hellblauem, teilweise sogar kräftig gefärbtem, dunkelgelbem Glas,
zudem besitzen sie einen etwas kleineren Gefäßdurchmesser. Vergleichbare Exemplare sind beispielsweise in Apulum belegt, datiert
ebenfalls in die 1. Hälfte bis Mitte des 2. Jhs.35; auch in Kilikien wurden solche Becher ab der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. vermutlich in
lokalen Werkstätten produziert36.
Das Gitternetzfragment G 272 (Taf. 225.4; 405) erinnert an sog. ä jowr-Fadengefäße (auch „Pseudodiatret“), wie sie beispielsweise aus
Begram im heutigen Afghanistan bekannt sind37: In ähnlicher Weise wurden dort Gefäße mit gitternetzartig aufgesetzten Glasfäden ver-
ziert, die zu exakt demselben Muster verschmolzen, und in der Hochblüte dieser Produktion im frühen 2. Jh.38 kaum Querhasten benötig-
ten, somit nahezu frei stehende Netze bildeten.
Auf dem ephesischen Fragment sind auf beiden Seiten keinerlei Reste von Querhasten erkennbar, allerdings auch keine Krümmung, es
liegt nahezu plan auf, was der Zugehörigkeit zu einem Gefäßkörper eher widerspricht. Es könnte sich möglicherweise auch um ein abge-
brochenes Henkelornament handeln, vielleicht eines Kruges oder einer gläsernen Servierplatte.
17 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3.
18 s. Schätzschock, WE 4, Kap. XVI.2.5, G 87.
19 s. Schätzschock, WE 4, Kap. XVI.2.2; Schätzschock, WE 3, A-G 88-90, Kap.
A.Glas.3.3.4.
20 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3, BII/1.
21 Vgl. Schätzschock, WE 1, A-G 7.
22 Vgl. Schätzschock, WE 1, A-G 1; Schätzschock, WE 4, G 1.
23 s. Schätzschock, WE 1, Kap. A.XII.5.; Schätzschock, WE 3, Kap. A.Glas.4.2-3.
24 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3, BII/12.
25 Vgl. Schätzschock, WE 3, A-G 30.
26 Vgl. Schätzschock, WE 3, A-G 58.
27 AR 149; z. B. Harter, Mainz, Typ G18b; Barköczi, Pannon. Glasfunde,
Nr. 248-251.
28 Flaschen dieser Art wurden ab der 2. H. des 1. Jhs. mehrfach in Kindergräbern
gefunden, möglicherweise wurden sie tatsächlich auch als Säuglingsfläschchen
verwendet: Inhaltsanalysen ergaben teilweise chemische Restbestandteile von
Milch. Vgl. A. Huttmann - H. Greiling - U. Tillmanns - M. Riedel, Inhaltsana-
lysen römischer Säuglingstrinkgefäße, KölnJb 22, 1989, 365-372.
29 Bälutä, Apulum, Abb. 4, Nr. 1-4.
30 Vgl. Harter, Mainz, 135 f.
31 Z. B. Gürler, Tire, Nr. 55.
32 s. Waldner, Kap. XV.2.3, BIP13-BIP15.
33 Vgl. z. B. Fünfschilling, Karthago, Abb. 21c Nr. 626-628.
34 Vgl. auch Becher G 30.
35 Bälutä, Apulum, Abb. 2, Nr. 4.
36 Stern, Cilicia, 125 f. Abb. 6.
37 D. Whitehouse, Begram Reconsidered, KölnJb 22, 1989, 151-157; Menninger,
Begram, 71-73 Taf. 23, 1-2.
38 Anders: von Saldern, Antikes Glas, 616-618.
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Mehrere Fundkomplexe sind anhand der Keramik in flavische bis frühhadrianische Zeit datierbar, enthalten teilweise aber auch älteres
Material17. Die Glasgefäße aus diesen Schichten stammen überwiegend aus flavischer Zeit:
So blieben unter anderem im Peristylhof 31a (Taf. 219.2) die Fragmente von drei Bechern (G 7-9) erhalten, der Hals einer größeren Fla-
sche mit Trichtermündung (G 10) sowie das Wandfragment einer formgeblasenen Rippenschale AR 30.1 (G 11); ein ähnliches Exemplar
ist bereits für die WE 4 belegt18. Dieser Fundkomplex enthielt allerdings auch deutlich ältere Fragmente, wie beispielsweise die Becher
G 7 und G 9, die der Form I 4 und somit noch spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit zuzurechnen sind.
Aus flavischer bis traianischer Zeit stammen die Fragmente eines Fläschchens der Form I 92 (G 12), einer Schale (G 14, o. Abb.) sowie
zweier Becher der Form AR 37.2 -1 34 (G 13.15)19, die im Peristyl-Nordumgang geborgen wurden (Taf. 219.3-4).
Derselben Zeitstellung kann eine Planierschicht im N-Umgang zugeordnet werden (Taf. 219.5)20: Sie beinhaltete eine Schale mit doppelt
gefaltetem Rand (G 17)21, ebenfalls ältere Becherfragmente der Form I 4 (G 18-19), den Hals eines Baisamariums (G 20) sowie einer
größeren Flasche 170 (G 21), zudem ein weiteres Rippenschalenfragment (G 22), diesmal der Form I 3b22. Fundkomplexe mit ähnlicher
Zusammensetzung von Gefäßtypen sind im H 2 bereits mehrfach belegt23.
Auch aus dem Vestibulum 31c konnten Gefäßfragmente flavischer bis traianischer Zeit geborgen werden (Taf. 196; 222.2)24: Eine Schale
AR 13.2 mit flachem Trichterrand und Standring (G 139)25, ein Becher mit gefaltetem Wandsteg (G 140)26, ein Baisamarium der Form
128a (G 141) sowie die Fragmente von zwei askoi (gutti)21 aus Glas (G 142-143): Diese auch als „Saugfläschchen“28 bekannten Gefäße
dienten vermutlich als Behältnis für Öle oder Parfums. Zahlreiche Exemplare sind nahezu zeitgleich beispielsweise in den Thermen von
Apulum belegt29. Die Gefäßtülle wurde entweder angesetzt (G 142) oder im noch heißen Zustand aus der Wandung gezogen (G 143)30.
Formtypologische Verwandtschaft besteht auch zu sog. Vogelfläschchen, gläsernen Parfumbehältern, deren langgestreckte Ausgusstülle
dem Körper eines Vogels nachempfunden ist31.
Mehrere Fundkomplexe in Raum 32b zeigen ein relativ ähnliches Gefäßspektrum: Auch hier handelt es sich um Planier- und Füll-
schichten, die auch älteres Material enthielten (Taf. 200; 225.3-4). So fand sich Keramik und Glas vom Ende des 1. bis zur 1. Hälfte des
2. Jhs.32, darunter weitere Schalenfragmente mit gefaltetem Rand (G 260), ein Becher der Form I 85b mit applizierten Fadenauflagen
(G 261) sowie fünf weitere Becher I 34 (G 262-263, 266-268). Hinzu kommen vier Balsamarien der Form I 28a (G 264, 269-271),
darunter ein komplett erhaltenes Stück (G 271), zudem der Rest eines gitterförmigen Ornaments (G 272).
Auffallend erscheint, dass die hier geborgenen Becher I 34 (G 262-263, 266-268) keinen abgesprengten33, sondern einen verrundeten
Rand aufweisen, was möglicherweise bereits auf lokale Produktion schließen lässt34. Während G 13 und 15 (Taf. 219.4) noch aus farb-
losem bzw. entfärbtem Glas gefertigt sind, bestehen diese Becher aus hellblauem, teilweise sogar kräftig gefärbtem, dunkelgelbem Glas,
zudem besitzen sie einen etwas kleineren Gefäßdurchmesser. Vergleichbare Exemplare sind beispielsweise in Apulum belegt, datiert
ebenfalls in die 1. Hälfte bis Mitte des 2. Jhs.35; auch in Kilikien wurden solche Becher ab der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. vermutlich in
lokalen Werkstätten produziert36.
Das Gitternetzfragment G 272 (Taf. 225.4; 405) erinnert an sog. ä jowr-Fadengefäße (auch „Pseudodiatret“), wie sie beispielsweise aus
Begram im heutigen Afghanistan bekannt sind37: In ähnlicher Weise wurden dort Gefäße mit gitternetzartig aufgesetzten Glasfäden ver-
ziert, die zu exakt demselben Muster verschmolzen, und in der Hochblüte dieser Produktion im frühen 2. Jh.38 kaum Querhasten benötig-
ten, somit nahezu frei stehende Netze bildeten.
Auf dem ephesischen Fragment sind auf beiden Seiten keinerlei Reste von Querhasten erkennbar, allerdings auch keine Krümmung, es
liegt nahezu plan auf, was der Zugehörigkeit zu einem Gefäßkörper eher widerspricht. Es könnte sich möglicherweise auch um ein abge-
brochenes Henkelornament handeln, vielleicht eines Kruges oder einer gläsernen Servierplatte.
17 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3.
18 s. Schätzschock, WE 4, Kap. XVI.2.5, G 87.
19 s. Schätzschock, WE 4, Kap. XVI.2.2; Schätzschock, WE 3, A-G 88-90, Kap.
A.Glas.3.3.4.
20 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3, BII/1.
21 Vgl. Schätzschock, WE 1, A-G 7.
22 Vgl. Schätzschock, WE 1, A-G 1; Schätzschock, WE 4, G 1.
23 s. Schätzschock, WE 1, Kap. A.XII.5.; Schätzschock, WE 3, Kap. A.Glas.4.2-3.
24 Vgl. Waldner, Kap. XV.2.3, BII/12.
25 Vgl. Schätzschock, WE 3, A-G 30.
26 Vgl. Schätzschock, WE 3, A-G 58.
27 AR 149; z. B. Harter, Mainz, Typ G18b; Barköczi, Pannon. Glasfunde,
Nr. 248-251.
28 Flaschen dieser Art wurden ab der 2. H. des 1. Jhs. mehrfach in Kindergräbern
gefunden, möglicherweise wurden sie tatsächlich auch als Säuglingsfläschchen
verwendet: Inhaltsanalysen ergaben teilweise chemische Restbestandteile von
Milch. Vgl. A. Huttmann - H. Greiling - U. Tillmanns - M. Riedel, Inhaltsana-
lysen römischer Säuglingstrinkgefäße, KölnJb 22, 1989, 365-372.
29 Bälutä, Apulum, Abb. 4, Nr. 1-4.
30 Vgl. Harter, Mainz, 135 f.
31 Z. B. Gürler, Tire, Nr. 55.
32 s. Waldner, Kap. XV.2.3, BIP13-BIP15.
33 Vgl. z. B. Fünfschilling, Karthago, Abb. 21c Nr. 626-628.
34 Vgl. auch Becher G 30.
35 Bälutä, Apulum, Abb. 2, Nr. 4.
36 Stern, Cilicia, 125 f. Abb. 6.
37 D. Whitehouse, Begram Reconsidered, KölnJb 22, 1989, 151-157; Menninger,
Begram, 71-73 Taf. 23, 1-2.
38 Anders: von Saldern, Antikes Glas, 616-618.
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