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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0012
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geheimnisvolle Schaffen dieser merkwürdigen Persönlichkeit zu
tun. Und auch von der Zukunft konnte man eine geistige Auf-
erstehung dessen, den man hier zu Grabe trug, kaum hoffen.
In seiner Werkstatt fand man sich umgeben von den Zeugnissen
eines unablässigen Ringens; in immer und immer wieder er-
neuten Versuchen schien eine ungeheure Kraft aufgewendet, um
eine Welt inneren Schauens zu der Bestimmtheit äußeren Da-
seins zu entwickeln. Und doch stand man keinem vollen Ge-
lingen gegenüber. Kein einziges zu überzeugender Klarheit ge-
brachtes Werk war vorhanden. Nirgends begegnete man der-
jenigen Vollendung, in der allein inmitten eines allgemeinen
geistigen Schaffens für das einzelne Werk die Bürgschaft dauern-
den Wertes liegen kann.
Unter den Freunden, die trauernd und zugleich niedergeschlagen
das Grab umstanden, waren wohl solche, die gegen das Schicksal
die Anklage erhoben, daß es mit gewohnter unverständlicher
Willkür einen Lebensfaden vorzeitig zerschnitten habe. Nur
eine kurze Spanne Zeit, ein letzter Anlauf, und das Ziel wäre
erreicht gewesen. Alles hatte darauf hingedeutet, daß sich die
Arbeit eines Lebens nun wirklich einem Abschluß nähere. Nach
Wochen war von dem rastlos Strebenden selbst die Zeit berech-
net worden, die noch erforderlich sei, um dem Unternommenen
die letzte Vollendung zu geben. Eine besonders gesteigerte
Stimmung war an ihm bemerkbar gewesen und diese hatte sich
der Umgebung mitgeteilt. Das sorgfältig bewahrte Geheimnis
der Werkstatt hatte sich allmählich gelüftet. Einzelne gewannen
Zutritt und berichteten von den großen Eindrücken, die sie
empfangen hatten. Freunde waren bemüht gewesen, einleitende
Schritte zu tun, um das Werk, sobald die Zeit gekommen sei,
in besonderer, seiner Bedeutung würdiger Weise vor die Öffent-
lichkeit zu bringen. Da plötzlich greift die Macht des Todes in
dieses gehobene Dasein ein, sinnlos noch kurz vor dem Ziele
das zerstörend, was von dem Leben so sinnvoll angelegt schien.
Wenige Tage schwerer Krankheit genügen, um ein Individuum
zu vernichten, welches ein Leben entsagungsvoller Arbeit daran
gewendet hatte, um sich zu dem zu machen, als den es sich der
Welt zu zeigen im Begriff gewesen war. Konnte es einen krasse-
ren Beweis von der blinden Grausamkeit des Schicksals geben

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