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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0065
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10.

allgemeine Berechtigung und Bedeutung haben. Die höchste
Schwierigkeit liegt darin, auch andere dahin zu bringen, daß sie
unvermerkt Freude an dem bekommen, was einem selbst Spaß
macht. Das, was sich von selbst versteht, zu erkennen, heißt den
Nagel auf den Kopf treffen; so lange man noch unter irgend
einem Einfluß steht, wird das nicht der Fall sein. Übrigens hat
man auch nicht die Macht, das mit eigenem Wollen zu be-
schleunigen; die Entwickelung eines Menschen reift wie die Frucht
am Baume“.

Es liegt eine Art von Beruhigung darin, eine Persönlichkeit, die
man gekannt, ein Schicksal, das man miterlebt hat, einem großen
typischen Beispiel vergleichen zu können. Schon bei Marees‘ Leb-
zeiten ist von seinen Freunden auf seine Geistesverwandtschaft
mit Heinrich von Kleist hingewiesen worden; der Ähnlichkeit
mit diesem Größeren und Unglücklicheren gedenken wir, indem
wir unsere Betrachtungen über den Verstorbenen beschließen.
Eine Kleist’sche Natur genannt werden zu können, ist zugleich
ein Ruhm und ein Verhängnis. Wie jener, so fühlte auch Marees
die Notwendigkeit und die Berechtigung in sich, nach dem
höchsten zu greifen; auch ihn duldete es nicht auf gewohnten
Pfaden, nur in der Verwirklichung eines neuen Kunstideals sah
er den ganzen Ernst seiner Bestimmung; alles oder nichts war
auch ihm das Zeichen, unter dem er siegen oder unterliegen
wollte und selbst in der Verzweiflung am endlichen Sieg blieb
seine Überzeugung von der Richtigkeit und Notwendigkeit
dessen, was er gewollt hatte, so unerschütterlich, daß er etwas
ähnliches empfinden mochte, wie das, was Kleist in jenen be-
rühmten Worten .ausspricht: „Ich trete vor einem zurück, der
noch nicht da ist, und beuge mich ein Jahrtausend im voraus vor
seinem Geiste. Denn in der Reihe der menschlichen Erfindungen
ist diejenige, die ich gedacht habe, unfehlbar ein Glied und es
wächst irgendwo ein Stein schon für den, der sie einst aus-

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