Achtes Buch. Zehntes Kapitel. 179
scheu mit dem kleinen Maß einer Spanne
verglichen hat. Ein Römischer Dichter ver-
gleicht das Leben mit der Dauer eines Wett-
rennens, und ein anderer mit der noch großem
Vergänglichkeit einer Welle. Die zweyte Be-
trachtung ist die Ungewißheit dieses Lebens.
So eng die Gränzen desselben sind, so wenig
ist man gewiß, ob man selbst diese Granzen
erreichen wird. Der nächste Tag, die nächste
Stunde, der nächste Augenblick kann der
letzte unsers Laufes seyn. Was für einen Werth
hat also so ein ungewisser, präcärer Zustand?
Diese Betrachtung, so leicht wir auch in unse-
rer Vorstellung darüber hingehen, hilft uns
jedes Schicksal und jede Lage um vieles leich-
ter ertragen. Sie giebt keinem das Recht in
dem glücklichsten Zustand zu triumphiren und
keine Ursache in dem elendesten zu murren.
Sähen die meisten Weltlente dieß nut solchen
Augen an, mit denen sie alle andere Dinge
umersuchen, so würden sie bald die Starke
dieser Vorstellungen fühlen und anerkennen.
Wer würde auch.wohl von ihnen viel für ein
Gut geben, dessen Verlust sie alle Augenblicke
gewärrig ftyn müssen. Würde man den nicht
als einen Narren auslachen, der sich wegen
eines solchen ungewissen Besitzes für reich
hielte? Dieß ist die Quelle, aus der ich meine
Philosophie geschöpft habe. Auf diese Art
habe ich gelernt, alle diese Dinge, welche für
scheu mit dem kleinen Maß einer Spanne
verglichen hat. Ein Römischer Dichter ver-
gleicht das Leben mit der Dauer eines Wett-
rennens, und ein anderer mit der noch großem
Vergänglichkeit einer Welle. Die zweyte Be-
trachtung ist die Ungewißheit dieses Lebens.
So eng die Gränzen desselben sind, so wenig
ist man gewiß, ob man selbst diese Granzen
erreichen wird. Der nächste Tag, die nächste
Stunde, der nächste Augenblick kann der
letzte unsers Laufes seyn. Was für einen Werth
hat also so ein ungewisser, präcärer Zustand?
Diese Betrachtung, so leicht wir auch in unse-
rer Vorstellung darüber hingehen, hilft uns
jedes Schicksal und jede Lage um vieles leich-
ter ertragen. Sie giebt keinem das Recht in
dem glücklichsten Zustand zu triumphiren und
keine Ursache in dem elendesten zu murren.
Sähen die meisten Weltlente dieß nut solchen
Augen an, mit denen sie alle andere Dinge
umersuchen, so würden sie bald die Starke
dieser Vorstellungen fühlen und anerkennen.
Wer würde auch.wohl von ihnen viel für ein
Gut geben, dessen Verlust sie alle Augenblicke
gewärrig ftyn müssen. Würde man den nicht
als einen Narren auslachen, der sich wegen
eines solchen ungewissen Besitzes für reich
hielte? Dieß ist die Quelle, aus der ich meine
Philosophie geschöpft habe. Auf diese Art
habe ich gelernt, alle diese Dinge, welche für