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Flechsig, Eduard [Hrsg.]; Cranach, Lucas [Ill.]
Tafelbilder Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt: Text — Leipzig, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.21952#0012
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Müller oder Sunder gewesen. Beides beruht auf Missverständnissen. Es ist sogar sehr
leicht möglich, dass der Vater, wie so viele andere Künstler des 15. Jahrhunderts,
überhaupt keinen Familiennamen gehabt hat; in diesem Falle wäre also das Suchen
danach völlig aussichtslos. Daheim wird der junge Künstler kaum anders, als Lucas
der Maler oder nach der Sitte der Zeit noch kürzer Lucas Maler genannt worden
sein, und auch in Wittenberg ist er bis in sein spätes Alter im täglichen Verkehr von
seinen Bekannten, seinen Fürsten fast ausschliesslich so genannt worden. Er selbst
nannte und schrieb sich, natürlich erst nachdem er seine Heimat verlassen, Lucas von
Cranach oder kürzer Lucas Cranach und benützte dann auch die beiden Buchstaben L C
eine Zeit lang als Künstlerzeichen. Dass aber der Ortsname Cranach schliesslich zum
Familiennamen geworden ist, das ist ein Vorgang, der sich durchaus nicht mit Natur-
notwendigkeit vollzogen hat. Wie so viele Goldschmiede ihren Berufsnamen als
Familiennamen behalten haben, so hätte es auch mit des Meisters Lucas Berufsnamen
werden können. Wird er doch 1507 mitten in einem lateinischen Gedichte »Lucas
Moller« (= Moler) genannt, schreibt sich doch 1536 des Meisters ältester Sohn »Hans
maller von Crannach«, und sogar noch 1604 heisst es in einer lateinischen Beschreibung
der Wittenberger Schlosskirche von einem Bilde, es sei von »Luca Malero seniore«, ein
Beweis, wie in Wittenberg der Name Lucas Maler viel mehr gebraucht wurde, als der,
mit dem wir den Künstler nennen und mit dem er sich selbst genannt hat.

Wissen wir nicht das Geringste über die Eltern unseres Künstlers, so haben wir
wenigstens etwas bessere Kunde von einem jüngeren Bruder Mathaeus, der auch
Maler gewesen sein muss. Er hat allem Anschein nach einige Zeit in der Werkstatt
seines Bruders Lucas in Wittenberg gearbeitet, wenigstens ist er 1511—1513 bestimmt
dort nachweisbar.

Die Jugendzeit Lucas Cranachs ist in tiefes Dunkel gehüllt. Dass er die erste
Ausbildung in der Kunst von seinem Vater erhalten hat, steht fest, aber wir können
bis jetzt auch nicht einmal ahnen, wie viel er dem Vater verdankt und was er von
ihm auf die weitere Künstlerlaufbahn mitbekommen hat. Ohne Zweifel ist Lucas
längere Zeit gewandert, wie jeder andere Künstler. Ob er damals auch in Italien
gewesen ist? Man hat es vermutet, sogar behauptet. Aber nicht das Geringste lässt
darauf schliessen. Denn gerade die Werke, in denen sich der Einfluss italienischer
Kunst am ehesten zeigen müsste, die frühesten von ihm bis jetzt nachweisbaren, sind
in allem, in der Formensprache, in den Farben, in der Auffassung so urdeutsch, wie
nur wenige Werke von deutschen Künstlern dieser Zeit.

Bald nach dem Jahre 1500 lichtet sich das Dunkel: die ersten Werke, die wir
von Lucas Cranach kennen, treten auf, zwei grosse Holzschnitte, der eine von 1502,
der andere noch früher, und zwei Bilder von 1503. Die beiden Holzschnitte, sehr
naturalistisch aufgefasste Kreuzigungen Christi, müssen wegen der darauf vorkommenden
Gestalten in der Nähe der ungarischen Grenze entstanden sein; das eine Bild, das den
Professor an der Wiener Universität Dr. Joh. Stephan Reuss darstellt (im Germanischen
Museum in Nürnberg), kann eigentlich nur in Wien gemalt sein. Der Künstler muss
also längere Zeit in Österreich, sagen wir gleich bestimmter in Wien, gelebt und
dort durch seine Kunst schon ein gewisses Ansehen erlangt haben. Dass er wirklich
in Osterreich gewesen ist, und zwar vor 1504, ist zum Glück auch durch ein litterarisches
 
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