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Flechsig, Eduard [Hrsg.]; Cranach, Lucas [Ill.]
Tafelbilder Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt: Text — Leipzig, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.21952#0011
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DAS LEBEN LUCAS CRANACHS

DES ÄLTEREN.

Üs giebt wohl kaum einen grossen deutschen Künstler älterer Zeit, über den
so viele falsche Ansichten verbreitet wären, wie über Lucas Cranach. Nicht als ob
die Quellen, aus denen man bisher geschöpft hatte, nur spärlich flössen oder trübe
wären. Im Gegenteil, wir sind vielleicht über keinen Künstler jener Zeit, Dürer aus-
genommen, besser unterrichtet wie über ihn. Aber wer von denen, die noch in
unsern Tagen über sein Leben und seine Kunst geschrieben haben, weiss das denn?
Man begnügt sich mit Nachrichten aus zweiter, dritter Hand, man wiederholt immer
und immer wieder das, was sich die Früheren über Lucas Cranach zusammengereimt
haben. Gläubig hält man jedes mit der Schlange bezeichnete Bild, wenn es nicht
ganz schlecht ist, noch immer für ein charakteristisches Werk Lucas Cranachs, ohne
zu sehen, dass man ihn damit zu einem wahren Proteus macht, und kopfschüttelnd
liest man, dass der Meister so und so viel Gesellen gehabt und es sogar nicht ver-
schmäht habe, gewöhnliche Tüncherarbeiten zu übernehmen, denn man weiss natürlich
nicht, dass auch die andern grossen Meister damals ihre Kunst in ganz derselben
Weise betrieben haben, wie er. Ohne jeden geschichtlichen Sinn beurteilt man den
Künstler nach unsern modernen Anschauungen, und ohne das Bedürfnis einer schärferen
Kritik tritt man den hunderten von Werken gegenüber, die in seiner Werkstatt ent-
standen sind. Es ist, als wäre hier die Kunstgeschichte noch gar nicht zur Wissen-
schaft geworden.

Soll an die Stelle des Irrtums die Wahrheit treten, so kann das nur geschehen,
wenn wir bis zu den Quellen zurückgehen. Das Beste über einen Künstler sagen uns
immer seine Werke, wenn wir sie nur in rechter Weise fragen. Aber auf manche
Frage bleiben sie doch stumm, sie schweigen über seine äusseren Schicksale. Flier
tritt dann die schriftliche Überlieferung seiner Zeit ein.

Was sie und die Werke über Lucas Cranach zu berichten wissen, soll in der
Kürze, mit Unterdrückung alles Unwesentlichen, im folgenden erzählt werden.

Lucas Cranach wurde 1472 in der kleinen fränkischen Stadt Kronach als Sohn
eines Malers geboren. Über seinen Vater fehlt uns jede Kunde; wir wissen nicht ein-
mal, wie er hiess. Früher hat man irrtümlich angenommen, sein Familienname sei
 
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