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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 3.1907

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Kempf, Friedrich: Zur Baugeschichte des Münsters im ersten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.2398#0089
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Kleine Mitteilungen und Anzeigen

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der Mitten auch eröffnet würde, wie das Dessin und
Rüß ' ausweist, was gibt das in das Chor gegen den
hochen Altar hinauf für ein schöner Prospekt, besonders
wann die schon angefangene Cuppel in der Höche auch
gemacht würde; so viel nit wissen, verstehn und er-
kennen, daß ein Cuppel ob dem Letner angefangen und
nit ausgemacht worden2.

Der Letner mueß für allem gemacht sein, wann als-
dann ein wohlerfahrener Orgelmacher sich einfindet, um
das alles parat seie, die Orgel gleich transportieren zu
kennen.

Unterdessen wan die Sach resolviert, werde ich
trachten, wo ich auch Geld zue dieser Sach bekomme,
dan ohne Geld nichts anfangen werde.

Freiburg den 13. Juni 1719. J. Ch. Rieh er.

Die beiden Berichte sind in ihrer Art so
charakteristisch, dass es unschwer ist, uns über die
Persönlichkeit Riehers, seine Ziele und Absichten
ein Urteil zu bilden. Johann Christoph Rieher,
geb. am 23. September 1643 als Sohn des Johannes
Rieher und der Elisabetha Nüßlerin ist ein Prototyp
des herrschenden Geistes seiner Zeit. Er war von
Beruf Pharmazeut, also kein Fach-
mann auf dem Gebiete der Bau-
kunst, sondern betrieb diese nur
aus persönlicher Liebhaberei. Da-
bei war er mit solchem Eifer für
die damalige Mode in der Kunst
eingenommen, dass er, wenn es auf
ihn angekommen wäre und ihm die
nötigen Mittel zur Verfügung ge-
standen hätten, das ganze Münster
in „moderner" Auffassung und
Formgebung umgestaltet haben
würde, wovon wir ein klares Bei-
spiel an der Martinskirche hatten.
Der mittelalterliche Raum mit sei-
nen einfachen, in die Höhe stre-
benden ruhigen Formen und Linien
schien ihn nicht zu befriedigen; er war ihm offen-
bar zu nüchtern und zu einförmig. Die steinernen
Flächen der Wände sowie die Gewölbe mit allen denk-
baren Ziermotiven in Stuck aus der neuen Formen-
welt zu versehen, „in Steinart wie es jetzt bei kais.-,
königl.- und fürstlichen Höfen der Brauch ist", war
gewiss sein Ideal gewesen. Gleichwohl wird man ihm
die Gerechtigkeit zu teil werden lassen müssen, dass
er formales und technisches Verständnis und Interesse
für die Kunst seiner Zeit besaß, wenn freilich auch
ein ansehnliches Maß von Selbstüberschätzung. Dass
er sich infolgedessen das Vertrauen der Stadt er-

1 Siehe Riehersches Projekt zum Umbau des Lettners
Jahrg. II S. 45.

- Vermutlich ist damit eine Stuckdekoration an den
Zwickeln, Wänden und Gewölbeflächen der Vierungskuppel im
Stile jener Zeit gemeint.

Freiburger Münsterhlätter III, 2.

Wappen J. Chr. Riehers.

worben hatte, geht daraus hervor, dass er neben
andern Ämtern auch das eines Bauherrn bekleidete,
dass er Pfleger von U. L. Frauen Bau war und ebenso
das Bürgermeisteramt (1715) einmal inne hatte. Er
stammte aus einer seit Anfang des 16. Jahrhunderts
in Freiburg ansässigen angesehenen Familie, in der
besonders auch geschichtliches Interesse zu Hause
war. Es sei nur an Rudolf Rieher erinnert, der
1526 (oder 1528) ins hiesige Bürgerrecht aufgenommen
wurde, von 1534 bis 1541 als Rats-, Amt-, Bau- und
Vogtherr der Stadt seine Dienste widmete und 1544
starb. Er war einer der wenigen Besitzer einer
Handschrift der von dem Münsterkaplan Johannes
Sattler 1514 verfassten alten Freiburger Chronik und
ein in jeglicher Hinsicht geschichtlichen und künst-
lerischen Dingen zugewandter Mann3.

Nach den von Christoph Rieher eigenhändig
geschriebenen Aufzeichnungen seiner Wirksamkeit ist
zu schließen, dass er in allen Kunstfragen heran-
gezogen und um sein Urteil angegangen wurde. So
ging nach der oben genannten Re-
lation von 1679 der Bau der früheren
Kirche in der Wiehre auf ihn zu-
rück. Ebenso wurde auf seine An-
regung im Jahre 1686 an Stelle des
1868 mit dem Standbilde des Uni-
versitätsgründers Albrecht VI. von
Österreich geschmückten Brunnens
auf der Kaiserstraße gegenüber der
Einmündung der Nussmannstraße
unter Mitwirkung eines französi-
schen Ingenieurs Chevalier de
Saint-Julien der St. Christoph-
brunnen aufgerichtet, wegen der
Nähe des Christophtors mit der
Bildsäule St. Christophs und zur
Erinnerung an die damalige fran-
zösische Landeshoheit mit den Lilien der Bourbonen
geziert. Aufsein Betreiben wurden, wie früher schon
bemerkt, verschiedene, dem Münster nicht zur Zierde
gereichende, sondern vielmehr zu allerlei Unfug
missbrauchte kleine Anhängsel wie das Branntwein-
häuschen und das Ausruf- oder Ganthäuschen hin-
weggetan und die alljährlich große Unterhaltungs-
kosten verursachenden Brotlauben verändert. Auch
an der Herstellung der großen, mit kostbarsten Ex-
voto-Schmuckstücken behangenen Monstranz, die
unter andern auch sein Wappen zeigt, war er be-
teiligt. Sie ist eine kunstreiche Arbeit aus dem Jahre
1700 und erweist sich als eines der hervorragendsten
Kirchengeräte, welche der Münsterschatz bewahrt.

s Vgl. Peter P. Albert, Die Geschichtschreibung der Stadt
Freiburg i. Br. in alter und neuer Zeit. Freiburg i. Br. 1902
S. 34 Anm.

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