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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Münzel, Gustav: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0059
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Münzel, Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister

übrigens 1514 noch nicht fertig', und da ihr Fenster
sogar erst 1515 datiert ist, so besteht die größte
Wahrscheinlichkeit, dass der Altar in der zweiten
Hälfte 1514 oder im Anfang 1515 entstand. So ist
es uns gelungen, den undatierten Altar auf die Zeit
von 1514—1515 festzulegen2. Dazu passt die obige
Rechnungsnotiz, falls sie sich auf unsern Altar bezieht.

Wer für die Stiftung des Anna-Altars in Betracht
kommt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Jedenfalls kann man negativ feststellen, dass die Er-
richtung vom Münster selbst nicht ausgegangen ist,
da sich außer der einen Notiz nichts darüber in den
Münsterrechnungen findet. Ob die Gewerkschaft der
Annagrube in Todtnau, von der das Sippenfenster in
der Anna-Kapelle gestiftet wurde3, auch die Stiftung
des Altars übernommen hatte, ist nicht festzustellen.
Möglicherweise kommt für die Stiftung des Altars auch
die 1509 im Münster gegründete Anna-Bruderschaft
in Betracht. Allerdings finden wir sie 1748 mit dem
andern Anna-Altar verbunden, da auf ihre Kosten in
diesem Jahre der neue Anna-Altar am Lettner er-
richtet wird4.

Über die ursprüngliche Form des Altars lässt
sich nichts mehr aussagen. Wie die Predella be-
schaffen war, wissen wir nicht, ebenso nicht, ob der
Schrein gemalte oder geschnitzte Flügel und einen
Aufsatz hatte. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Dass
später bei der Schreinsgruppe wenigstens eine Ver-
änderung vorgenommen wurde, können wir mit ziem-
licher Bestimmtheit annehmen. Davon wird noch
weiter die Rede sein. Die erste Gestalt des Altars
wurde schon zur Zeit der Übertragung der Reli-
quien des hl. Alexander verlassen. Die Münster-
rechnungen enthalten zum Jahre 1652 den Eintrag5:
„Item als man den altar s. Alexandri aufgerichtet und
in festo Lamberti gezieret, ist für grosse und kleine
negel, auch klufen bezalt 10 ß." Darunter ist keines-

1 Münsterrechnungen 1514 II: Item 12'/, ß dedit meister
Hans Scherer uf zinstag sancti Jacobi von einer person an die
venster in sant Anna capell. — Item 10 ß den zimerleiten 5 ge-
sellen tag, so man das krist macht zuo s. Anna capel vor Os-
waldi. — 1515 I: Item 8« 12 ß 2 3 tut 13/Z 9% ß 2 $ von
formenwerk zu verglasen in sant Anna capel. 1515 II: Item
12'/s ß dedit Magdalena Schibin an sant Anne capel uf sambstag
nach Jacobi apostoli. — Item 12 V» ß dedit brotbeckin zuo der
glocken an sant Anna capel.

- Der Anna-Altar wurde bisher später angesetzt. Kempf
(Das Freiburger Münster, seine Bau- und Kunstpflege. Karlsr.
1914, S. 13 f.) weist ihn den zwanziger Jahren des 16. Jahr-
hunderts zu, etwa der gleichen Zeit, in der der Locherer-Altar
entstand. Schäfer (Das alte Freiburg [1835] S. 13 f.) datiert mit
weiterem Spielraum, er setzt den Altar in die erste Hälfte des
16. Jahrhunderts.

3 Geiges, Das St. Annenfenster im jetzigen Alexander-
Chörlein, Freib. Münsterbl. 4 (1908), 48 f.

' Vgl. Chronikbll. der Stadt Freiburg i.Br. 1775—1784. Frei-
burger Adressbuch 1895, Beilage S. 38."

5 Münsterrechnungen z. J. 1652, Bl. 20a Nr. 15.

wegs die Aufrichtung eines ganz neuen Altars zu
verstehen, sondern die Umformung des alten Anna-
Altars, der jetzt, nachdem die Alexander-Reliquien
in ihm niedergelegt worden waren, den Namen Ale-
xander-Altar erhielt, ebenso wie die Bezeichnung
Anna-Chörlein in Alexander-Chörlein umgeändert
wurde. Denn es ist ausgeschlossen, dass man einen
besondern Alexander-Altar errichtete, während seine
Reliquien in dem alten Anna-Altar untergebracht
wurden, wie wir dies wissen \ Wie der Altar da-
mals nach dieser Umformung aussah, ist uns nur aus
der Darstellung Schreibers bekannt7. „Nicht minder
ausgezeichnet als diese Fenstergemälde ist auch der
in dieser Kapelle befindliche geschnitzte Altar, ob
er gleich nicht als der vorzüglichste dieser Art in
dem Münster angesehen werden kann. Er ist noch
ungefasst und enthält als Hauptvorstellung Maria,
welche das Kind der Mutter Anna übergibt; über
ihnen erscheint der himmlische Vater. In Seiten-
nischen stehen die hl. Joachim und Joseph, und
neben ihnen auf abgesonderten Fußgestellen die
hl. Alexander und Lambert, sämtliche trefflich aus-

0 Mit dieser Auffassung stimmen auch die zeitgenössischen
und spätem Berichte überein, die nichts von der Errichtung
eines besondern Altars erwähnen. Die Tagebücher von Th.
Mallinger haben über die Ereignisse, die mit der Übertragung
der Alexander-Reliquien zusammenhängen, nur einen Eintrag
zum 21. Sept. 1651 (a. a. O. bei Mone S. 607). Dort wird die
große Feierlichkeit bei der Übertragung der Reliquien eingehend
geschildert. Der Bericht schließt: „Comoedia ante portam templi
habita, ea finita, (ossa) in templum per duos Capuccinos baju-
lata et ante summum altare posita, nocte in sacellum s. Annae
deposita et ibi conservata sunt." Auch in der spätem Dar-
stellung von Theobald Bley wird nur die notarielle Urkunde
über die Feierlichkeiten mitgeteilt. Es heißt darin, dass die
Anna-Kapelle restauriert und die Gebeine auf dem Altar bei-
gesetzt worden seien. „------Die H H. Reliquien von dem Cre-

denz erhebt und vor dem Cnor-Altar hinweck in die dazu er-
neuerte Capell wiederumb processionaliter getragen und auf
dem Altar in ein dazu gemachten Kasten beigesetzt, einge-
schlossen und verwahrt worden." (Sanctuarium Friburgense
S. 62.) Die Betonung, dass die Reliquien, die schon in einem
Sarge lagen (S. 60), in einem eigens dazu gemachten Kasten
auf dem Altare beigesetzt worden seien, weist deutlich darauf
hin, dass nur eine Umformung des Altars vorgenommen worden
war. Wäre die in den Rechnungen zum Jahre 1652 erwähnte
Aufrichtung des Alexander-Altars etwas anderes gewesen als die
Vollendung der schon zu den Festlichkeiten 1651 begonnenen
Umformung des Altars, dann hätte Bley in seiner ausführ-
lichen Schilderung diese Tatsache gewiss erwähnt. Die An-
nahme einer Umformung des vorhandenen Altars entspricht
ganz dem, was Bley in der Vorrede seines Sanctuariums sagt,
dass man zu Ehren der Reliquien „auch ein Capellen und
Altar zugericht" (S. 7; vgl. auch S. 53). — Auch die Ratsprotokolle
der Stadt Freiburg erwähnen nichts von der Errichtung eines
neuen Altars. Am 25. August 1651 referierte der Stadtschreiber
über das, was von einer Kommission wegen der Translation des
hl. Alexander beschlossen wurde. Mitgeteilt ist davon in den
Protokollen weiter nichts. Am 16. September 1652 wird Be-
schluss gefasst, dass das Fest der heiligen Alexander und Lam-
bert den ganzen Tag gefeiert werden soll.

7 Gesch. u. Bescnr. des Münsters S. 242f.
 
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