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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Albert, Peter P.: Felizian Geißinger und seine Inschriftensammlung vom Freiburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0047
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Albert, Felizian Geissinger und seine Inschriftensammlung vom Freiburger Münster

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„Münsterbau- und -Verschönerungskommission" für
die ganze Folgezeit zu unbeschränkter Herrschaft
verholfen wurde. Dieses „Collegium des guten Ge-
schmacks", bestehend aus dem Kreisrat Dr. Joseph
Kern, dem Münsterpfarrer Dr. Bernhard Boll, dem
Oberbürgermeister Johann Joseph Adrians und nach
ihm Fidel Andre, Freiherrn Benedikt von Reinach,
Baumeister Christoph Arnold, Münsterfabrikschaffner
Franz Anton Frey und
dem Kustos an der Uni-
versitäts-Bibliothek
Professor Dr. Heinrich
Schreiber, war von der

besten Absicht, aber
mannigfach verkehrtem
Verständnis geleitet, ganz
im Sinne des damals
herrschenden „doktri-
nären Purismus" tätig
und begann, um mög-
lichst nahe an das 14.
und 15. Jahrhundert an-
zuknüpfen, alles, was an
Kunstwerken von Unbill
der Zeit und Kriegs-
läuften verschont blieb,
besonders Holz- und

Steinbildhauer- und
Kunstschreinerarbeiten,
schonungslos aus dem
Münster zu entfernen.
Die entstandenen Lük-
ken wurden durch viel-
fach in unbeholfen nach-
geahmtem gotischem Stil
gehaltene Gegenstände
ersetzt. Die erste Arbeit

der Verschönerungs-
kommission war die neue
Belegung des Bodens des
Langhauses „mit Platten,
abwechselnd von rotem
und gelbem Sandstein".
Bei diesem Anlass wur-
den neun im Jahre 1704 im Schiff eingebaute Altäre,
„welche durch ihre Stilform und Kleinheit der Kirche
nicht zur Zierde dienten", entfernt und neue gotische
Altäre hergestellt, „wozu zum Teil älteres Schnitzwerk
verwendet ward, so zum Dreikönig-Altar die Skulpturen
aus der Kapelle des ehemaligen Basler-Hofes" usw.1

Auf diese Weise wurde das Münster, wie es der
einseitige Geschmack der Zeit nun einmal wollte,
an Kunstwerken vielmehr ärmer statt reicher, ver-

1 Vgl. Freiburger Diözesan-Archiv 15 (1882) S. 277—88.



Abbild. 2.

schiedentlich verbösert und verschlimmert statt ver-
schönert und verbessert, wenn auch anderseits
nicht verkannt werden soll, dass es dadurch von
manchem, besonders im Anfang des 18. Jahrhunderts
ihm angehängten Zopf befreit worden ist.

Den Zustand des Münsterinnern nun vor dem
Eingreifen der „Verschönerungskommission" in sei-
ner Weise festgehalten und so manches seither ver-
schwundene Denkmal in
Wort und Bild getreu,
wie er meinte, wenn
auch durchaus schüler-
haft, wie wir finden, den
Nachkommen überlie-
fert zu haben, ist das
Verdienst Geissingers-,
das auch die Münster-
forschung gebührend zu
schätzen weiß. Haben
wir doch aus jenen Jah-
ren, denen der Wert der
Sammlung dieser dem
Untergang geweihten ur-

5 Seine bewegliche Klage
z. B. über den „durch Sorg-
losigkeit und Unkenntnis"
verursachten Verlustgang der

kostbaren Fenstergemälde
wurde schon von den Zeitge-
nossen gewürdigt und geteilt.
„Hierbey denen Fenstren und
untren Creuzstöcken ist zu
bemerken", sagt er S, 74 (sei-
ner Zählung) fein, „daß noch
zu erdenken, wie daß in dem
hiesigen Münster Langhaus
alle Fenstergestelle mit den
uralten Amausen oder Glas-
malereyen von Heiligen und
von Wappen, auch andren
Figuren geziehretwaren Nun
sind dieselben allgemach
durch Zerfall und Lange der
Zeiten, durch Wind und
Schauder oder Erdenstossen,
Hagel Strohl des Gewitters
durch Steinwerffen deren Bu-
ben in Ruin zergangen, auch
meistens, weilen diese ge-
mahlte Fenster ser finster,
schweer und tumm macheten, schaffet man dieselbe allgemach ab,
und werden statt derselben allgemach lauter weiße Gläser ent-
weders ganz eingesetzet und allgemach da und dort mit weißen
nachgeflicket; dessenohngeacht zu ewigen Angedenken verbleiben
hin und wieder da und dorthen noch einige gemahlte Scheiben
stehen, [be]sonder die, die in dem Alexander-Chörle seynd,
bleiben ganz unberührt, weil sie weiß schattirt und die schön-
sten im Münster seind." Vgl. Heinr. Schreiber, Geschichte und
Beschreibung des Münsters zu Freiburg i. Br. (1820) S. 179 ff.,
der dieser Auslassung entrüstet hinzufügt: „Kann wohl der
Mangel an Achtung für so kostbare, nie wieder zu ersetzende
Denkmale höher getrieben werden?" Vgl. auch Freiburger
Diözesan-Archiv 15, 287 f.
 
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