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Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs für Heidelberg und Umgebung [Hrsg.]
Heidelberger Fremdenblatt: Stadt-Anzeiger ; amtliche Fremdenliste — 1925

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Nr. 19 - 31 (Juli 1925)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30257#0157
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Alt-Seidelberm GMmlser

i.

Von gar vielen Gefichlspunkren und Anregnngen
aus kann dcr Heimakfrennd seiner fchönen und guken
Sache dienen. Alte Lieder, fromme Gebräuche, Feste
des Volkes, das Bauernhaus, der Bauerngarten, die
Volkstracht, Ortsneckereien, selbst Spitz- und Unna-
men, besonders auch Flur- und Gewannamen führen
alle auf verschiedenen Pfaden zu demselben Ziel, die
engere und weitere Heimat näher kennen und ver-
stehen zu lernen, wie Prosessor Dr. E. Fehrle mit sei-
nem Büchlein „Deutsche Fefte und Volksbränche" und
seinem neuesten Werke „Badische Volkskunde" in ver-
dienstvoller Weise darlegt.

Der Städter aber von heute, insbesondere der
Eingewanderte, sindet nicht immer so leicht die An-
knüpfungspunkte, obwohl sie ihm oft so nahe liegen
wie dem Torfbewohner z. B. die Flurnamen. Viel-
leicht läßt er sich aber verlocken, mit uns einen harm-
losen Bierbummel durch das „Gewann Altstadt"
zu unternehmen.

Wir beginnen da, wo überhaupt die ersten Häu-
ser Heidelbergs vor vielen Jahrhunderten gebaut
worden sind, bei der Heiliggeistkirche und dem Markt-
platz, und schenken unsere Aufmerksamkeit zunächst dem
ältesten und schönsten Gasthof Heidelbergs, dem „R i 1-
t e r". Seine Entstehung versetzt uns ins 16. Jahr-
hundert. In Frankreich wie in Deutschland wüteten
Religionskämpfe. Jn demselben Jahr, da der Pari-
ser Bluthochzeit so viele Hugenotten zum Opfer fielen
(1572), sand deren Glanbensgenosse Karl Belier
aus der damals sranzösischen Stadt Tournai Schutz
und Heimat in dem kalvinischen Heidelberg. Der
Tuchhändler muß ein sehr vermöglicher Mann gewe-
sen sein, da er am Marktplatz der Stadt dieses pracht-
volle Haus aus Stein mit all seinem reichen bildneri-
schen Schmuck einer damals neuen Kunst, der Renais-
sance, erbauen konnte (1592), mit dem sich wohl kein
bürgerliches Haus und nur der Ottheinrichsbau im
Schloßhof messen konnte.

Die zwei Bildnisse über dem Erdgeschoß stellen
vermutlich die Eltern, zwei andere, ein Stockwerk
höher, den Bauherrn selber und seine Fran dar. Wei-
ter oben die scharf ausgeprägten Köpfe merowingischer
Könige sollen wohl daran erinnern, daß die ursprüng-
' liche Heimat Beliers, wo zu Tournai sränkische Könige
gelebt und regiert haben, einst deutsches Land gewe-
sen ist. Steigende Widder im Wappen bedeuten eine
Anspielung aus den Namen Belier, die Fische weisen
auf die Frau, geb. Soriau, hin. Zuoberst auf dem
Giebel ragt gen Himmel ein römischer Ritter,
nach dem das Haus den Namen erhielt. Von dessen
Pracht schließen wir auf jene Zeiten des 16. Jahr-
hunderts zurück, da viele Bürgcr in dcutschen Städten,
wie z. B. in Nürnberg, in großem Wohlstand lebten
und ihre Wohnungen aufs Behaglichste auszustatten
wußten.

Aber dann brausten die Stürme des Dreißigjäh-
rigen Krieges über Deutschland und insbesondere die
Pfalz hinweg, und kaum waren diesem Lande vierzig
Iahre der Erholung gegönnt, so wurde es, vor allem
aber die Stadt Heidelberg, auss schrecklichste vom
Orleanischen Kriege heimgesucht. Nachdem der Brand
von 1693 die St-adt vernichtet hatte, stand der Bau
des „Ritter" nebst den Mauern der Heiliggeistkirche
und der Peterskirche noch allein, rings von Schutt
und Asche der Bürgerhäuser umgeben. Der heutige
„Rittersaal" war der einzige größere Raum in der
> Stadt, wo der Stadtrat seine Sitzungen abhalten

k konnte, bis das Rathaus wieder aufgebaut war. Jm

) Jahre 1705 hören wir vom „Ritter" zum erstenmal,
j daß er inzwischen ein „Gasthaus zum Ritter St. Geor-

gen" geworden war, das er nun auch blieb, bis er
1904 von der Familie Hormuth in den Besitz von
O. Zeuner überging.

Mit dem neuen Eigentümer vereinigten sich Stadt
und Staat, um vor allem die prachtvolle Schauseite
siuugemüß ausbessern zu lassen uud für lange Jahre
hinaus zu erhalten. Jst doch der „Ritter" nicht nur
für Heidelberg, sondern sür ganz Deutschland ein in
seiner Art fast einzig schönes Denkmal deutscher Re-
naissancekunst.

Dicht neben an steht der „Silberne Hirsch".
Der Name führt uns wieder ins 16. Jahrhundert zu-
rück. Damals erhob sich drüben an der Stelle der
nördlichen Ecke des Rathauses der weithin bekannt
gewordene „Hirschen". Dort sind die Ritter der Um-
gend, so auch Götz vonBerlichingen, und nach
dem Roman von Schmitthenner „Das deutsche Herz",
Friedrich von Hirschhorn abgestiegen. Die
Gäste des Hauses und die Nachbarschaft mögen in
später Nacht und am frühen Morgen unter den klap-
penden und klingenden Hufen der Gäule und dem
Knarren der Lastwagen etwas ähnliches erduldet ha-
ben wie wir heute unter dem Tuten, Pfauchen und
Zischen der Autos, wenn sie nicht gröbere Nerven be-
saßen. Nach dem Gasthaus hat die Hirschstraße ihren
Namen bekommen.

Der Hirschwirt, zugleich Bürgermeister, Heinrich
Eckhardt, wird 1588 mit Weib, einer Tochter, 2 Hauß-
knecht, 3 Magdt erwähnt. Er legte dort, wo heute von
der Ziegelhäuser Landstraße 37 das Haus Cuntz steht
— damals aus Neuenheimer Gemarkung — einen
Garten mit Lusthaus und Fischweiher an, ebenfalls
„Zum Hirsch" genannt. An dessen Stelle staud später
bis in unsere Zeit herein das „Kuchenhäusl", dessen
Gartentor mit der jetzt ziemlich verwischten Jnschrift
„Gartenwirtschast" in der Mauer an der Straße noch
zu sehen ist. Jnzwischen entstand weiter oben auf
dem zugehörigen Gelände die Wirtschast „Zum oberen
Hirschgarlen", heute „Zur Hirschgasse" genannt. Uebcr
die Geschichte dieses als „Paukplatz weithin bekann-
ten Hauses berichtet uns ausführlich die „Chronik der
Hirschgasse".

Unser „Hirsch" am Ansang der Hirschstraßc wurde
später nach seinem goldenen Geweih im Schild „Gol-
dener Hirsch" genannt. Er scheint nach dem großen
Stadtbrand 1693 nicht wieder errichtet worden zu
sein. An seiner Stelle ist ein katholisches Pfarrhans
gebaut worden (Dechanev - Dekanatsgebäude), d-as
nach Vollendung dcr Jesuitenkirche 1809 in bürgerliche
Hände und dann in den Besitz der Stadt überging.
Diese ließ 1887 an der Stelle in der damals bevorzug-
teu Renaissancekunst einen Nordflügel des Rathauses
errichten, den man aber vor kurzer Zeit wieder abtra-
gen ließ, um dem ganzen Bau ein einheitliches Ge-
präge in ursprünglichem Sinne zu gebeu.

Hier ist also der Platz des geschichtlich berühmt
gewordenen „Heidelberger Hirschen", des seinerzeit
vornehmsten Gasthofes der Stadt. Nach ihm erkundigt
sich die pfälzische Prinzessin Liselotte voil Paris aus
nach fünfzigjähriger Abwesenheit mit dcn Worten:
„Jst das Wirtshaus vom Großen Hirsch noch auf dem
großen Markt? Das war doch das Wirtshaus, so in
der großen Reputation war." Damals aber (1732)
war der Gasthof, wie schon erwähnt, mit dem Rat-
haus schon längst dem Franzosenbrand zum Opfer ge-
fallen. Eine Ärt Weltruf erhielt er erst nachträglich
durch die Dichtungen Scheffels:

Wer reit't mit zwanzig Knappen ein
Zu Heidelberg im Hirschen?

Es ist der Herr von Rodenstein,

Auf Rheinwein will er pirschen.

Jnzwischen entstand in der L e o p o l d st r a ß e
ein „Goldener Hirsch", der aber dem Gebäude der
Rheinischen Kreditbank weichen mußte. Vom heutigen
„Silbernen Hirsch" wissen wir nur zu berich-
teu, daß er beinahe 100 Jahre im Besitz der bekannten
Heidelberger Familien Arnold und Frank war,
bis er im Verlauf des letzten Jahres an Herrn Fr.
Lenz (Bachlenz) überging.

Eine Wirtschaft „Zur Glocke" stand vermutlich
um 1546 schon der Heiliggeistkirche gegenüber an der
oberen Ecke der Steingasse. Das Schild „Zur golde-
nen Glocke" scheint später auf den Fischmarkt verlegt
worden zu sein, wo es zum benachbarten Geläuie
noch mehr Beziehung hatte. Jetzt ist es in „Kurpfalz"
umgewandelt. Nebenan die „R o s e" jetzt weiße Rose)
und schräg gegenüber an der Hauptstraße „Zum
Falken" (jetzt zum goldenen Falken) und „Z u r
goldeuen Kette" (letztere Bezeichnung nur noch
im Stadtbuch erhalten) bestanden schon um 1800.

Jn verdienstlicher Weise ist am „Kaffee Wach-
te r" die Jahreszahl der Gründung mit 1776 angege-
ben. Herr Dr. Karl Christ, einer der verdienstvollsten
Forscher für unsere Heimatgeschichte, schreibt mit Be-
ziehung auf diese Gaststätte:

„Vom Orient her verbreitete sich der Genuß des
braunen arabischen Labetrunkes zunächst in die gro-
ßen Handelshäsen Europas; so bestand schon seit 1671
eine solche Wirtschaft zu Marseille, dann eine solche zu
Hamburg, worauf Berlin, Wien, Frankfurt a. M-,
Leipzig und andere deutsche Städte folgten. Jndessen
besteuerte der erste preußische König (1688—1713) wie
jeden Lnrus auch ihren Besuch. Sie bildeten aber
fortan den Mittelpunkt feinerer Geselligkeit gegenüber
den wüsten Biergelagen in den Burschenkneipen."
Nach einer anderen Bemerkung Christs zu schließen,
scheinen in Heidelberg die Kaffeewirtschaften etwa
um 1750 aufgekommen zu sein.

Vom „Kaffee Wachter" aus erscholl seinerzeit der
Ruf „Burschen heraus!" als die Studenten mit den
bürgerlichen Mitgliedern der Musenmsgesellschaft
S t r e i t bekommen hatten und deswegen am 14. Aug.
l828 srüh um 5 Uhr nach Frankenthal auszogen. Hier
haben auch der Dichter Scheffel und der Maler
Feuerbach verkehrt, die 1855 von Heidelberg aus ge-
meinschastlich ihre Reise nach Jtalien antraten.

Der „P r i n z K a rl", der vor wenigen Jahren
in den Dienst der Stadt übernommen wurde, entstand
1788 als Einkehr des Pfalzgrafen Karl Angust
von Z w e i b r ü ck e n, der das Rohrbacher Schlößchen
und den Bierhelder Hof besaß. Man sah in diesem
Prinzen den Nachfolger Karl Theodors, dem er aber
drei Jahre im Tode voransging (1795). Wenn auch
hier der „Karlsberg" und vielleicht die „Karlsburg"
und ebenso in W e i n h e i m, Neckargemünd und
Mosbach nach ihm Wirtschaften benannt wurden,
so ist dennoch sein Andenken höchst unrühmlich. Mit
üppigster und rücksichtslosester Verschwendung hat er,
der „schlimme Karl", nach französischem Vorbild auf
Kosten der armen Bevölkerung für 14 Millionen ser-
nen Prnnkpalast, den „Karlsberg" bei Zweibrücken, er-
bauen lassen. Aber schon 1793 plünderten dre Franzo-
sen den stolzen Bau und brannten ihn meder, w daß
kaum noch wenige Trümmer davon übrrg blieben. Der
Flüchtling kam für kurze Zeit nach Rohrbach und
dann nach Mannheim, wo er zwer Jahre ,pater

so ruhmvoller ist die Geschichte des Gasthau-
ses. Schon etwa von 1824 an galt es als das erste
der Stadt. Vor allem wurde es Mittelpuukt der iun-
gen und alten Herren der Korps, die hier lebten oder
immer wieder zu Besuch kamen. Etwa von 1820 an
 
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