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Friedländer, Max J.; Rosenberg, Jakob; Cranach, Lucas <der Ältere> [Ill.]
Die Gemälde von Lucas Cranach — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.11059#0034
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Forträtaufnahme zusammenhing. Auf das Wesentliche der Aufgabe sich konzen-
trierend, wählt er einen neutralen, farbig dekorativen Grund, auf dem die Halbfigur
reliefhaft, zumeist in halber Seitenansicht steht, führt das Licht so, daß sich die
signifikanten Formen in deutlichen Grenzen herausheben und scheut nicht linien-
hafte Markierung. Die Bildnisse der Fürsten und Reformatoren wurden in großer
Menge von kopierenden Gesellen hergestellt. Wir besitzen Porträtaufnahmen, die
Cranach mit eigener Hand geschaffen hat — eine ganze Reihe davon im Museum
zu Reims (vgl. Textabb. 13). Diese mit Ölfarbe auf Papier angelegten Köpfe wurden
— wie die Platten im Atelier der Photographen — bewahrt und bei Bedarf als Vor-
bilder verwendet. Kostüm, Abzeichen, Schmuck, die ephemeren, modisch wechseln-
den Zutaten wurden je nach Anforderung dem für lange Zeit gültigen Antlitz hinzu-
gefügt. Die Aufnahme mußte zweckentsprechend und unzweideutig sein. Alle Zeich-
nungen, mit denen Cranach in seiner Wittenberger Zeit die Werkstatt-Produktion
leitete und lenkte, haben etwas von der kahlen Nüchternheit, die Visierungen und
Vorlagen eigen ist.

Den Tugenden der Objektivität, der Sauberkeit und der prägnanten Klarheit wird
mehr und mehr der malerische Reichtum geopfert, doch bleibt der Sinn für herbe,
charaktervolle, kämpferische Männlichkeit wach, so daß die Form nicht ins Leere
und Allgemeine gleitet. Anders, was die Frauenbildnisse betrifft. Dort droht die in-
dividuelle Bildung dem Typus, dem Ideale zu verfallen. Es gibt Bilder reich ge-
schmückter weiblicher Schönheiten, vor denen man sich fragt, ob Porträts gemeint
seien. Die fürstlichen Damen und die Hoffrauen sehen nicht viel anders aus wie
Judith oder Lucretia.

Der Tierwelt blieb verständnisvolle Teilnahme zugewendet, zumal da die weid-
lustigen Fürsten ihrem Maler Gelegenheit genug zur Beobachtung des Wildes ver-
schafften. Der Standpunkt verschiebt sich mit der Zeit. Zuerst wird das Naturleben,
Fauna und Flora mit eins erfaßt, später das einzelne Tier, seiner Gattung nach zoo-
logisch genau abgebildet, zahm, wie im Garten, oder erlegt, als Jagdbeute.
Merkwürdig unentwickelt war Cranachs Sinn für die geometrische Form. Das von
außen gesehene Bauwerk war ihm in der Ferne willkommen. Der Innenraum aber
mit umschließenden Mauern bereitet ihm Verlegenheit, nicht weil die Kenntnis der
perspektivischen Konstruktion versagt hätte, sondern, weil sein Raumgefühl ver-
kümmert war. Sein Weg läuft vom Malerischen zum zeichnerisch Pittoresken und
Kalligraphischen, aber nicht wie der Dürers zum Plastischen und Architektonischen.
Innerhalb des Ornaments konnte er sich an krausem vegetabilischem Verschlingen

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