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g) doppelarmige Treppe
A. da Sangallos eingangs geschildertes Treppenprojekt
UA1259 v für den Pal. Medici-Madama lebte in seinem Ent-
wurf UA1074 für den Pal. Pucci in Orvieto noch einmal auf
(T. 177 d, 188 a). Dort ist der Eingang zu den beiden unteren
Armen an das Ende der seitlichen Loggien gelegt. Wie auf
UA1259v vereinigen sich die beiden Atme über dem zen-
tralen Andito, der zwischen Hof und Garten vermittelt.
Statt nun jedoch in einem einzigen breiteren Arm die rest-
liche Steigung zu überwinden, teilt sich die Treppe wieder
in zwei Arme und mündet an der gleichen Stelle wie im
Erdgeschoß in die obere Loggia. Es handelt sich also letzt-
lich um eine Verdoppelung des herkömmlichen Treppen-
typus, wie sie bereits Francesco di Giorgio für größere
Paläste gefordert hatte. Während Francesco di Giorgios
symmetrische Treppen im Pal. Comunale zu Jesi jedoch
durch den Hof voneinander getrennt und als Einzelglieder
aufgefaßt sind52, hätte Sangallos Verbindung eine ungleich
großartigere Wirkung hervorgebracht. Auch hier wird
deutlich, wie die abstrakte Grundrißgeometrie des Quattro-
cento mehr und mehr sinnliches Leben erhält.
G. da Sangallos UA 1341 bereitet diesen Typus vielleicht
schon vor. In den Entwürfen UA 828,1314 für die Villa
Cervini rechnete Antonio mit einer symmetrischen Ver-
doppelung der Treppen im Sinne des Pal. Comunale zu
Jesi53. Weder die doppelarmige Treppe vom Typus des Pal.
Pucci noch die verdoppelte Treppe vom Typus der Villa
Cervini kamen während der ersten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts zur Ausführung. Daß die einarmige Treppe selbst den
höchsten Ansprüchen genügte, beweisen Sangallos Papst-
projekt für den Pal. Farnese und die Treppen der großen
römischen Barockpaläste.

5. SALA GRANDE
Dürfen Andito, Hof, Loggien und Treppe als die wesent-
lichen Glieder für das Betreten und für die Verbindung
innerhalb des Palastes gelten, so war die Sala Grande, auch
„salone“, „aula“ oder einfach „sala“ genannt, sein bedeu-
tendster Innenraum. Hier fanden die großen Zeremonien
und Audienzen statt, hier die Banketts und oft auch die
anschließenden Theateraufführungen. Alberti fordert eine
zentrale und leicht erreichbare Lage für die Sala: „Und wie
52 Papini 1946, Rilievi, T.50, 53.
53 Die doppelarmige Gartentreppe auf Peruzzis Entwurf UA 552 r, v
gehört in einen anderen Zusammenhang.

man in der Stadt das Forum und die Plätze, so wird man im
Hause das Atrium, den Saal und Räume dieser Art haben,
die nicht an abgelegener, verborgener und enger Stelle
liegen, sondern vollkommen zugänglich sein müssen, daß
auf sie die übrigen Räumlichkeiten ganz unbehindert mün-
den können. Auf sie werden sich nämlich die Mündungen
der Stiegen und Gänge öffnen, in ihnen werden die Be-
grüßungen und Besuche der Bekannten entgegengenom-
men“54. Bezeichnenderweise leitet Alberti das Wort „sala“
von „saltare“, tanzen, ab. Und Philander fügt ergänzend
hinzu: „quas salas plebeia voce appelamus, ä saltando, ut
cum Baptista Alberto putamus, quod in eis nuptiarum et
conviviorum alacritas celebretur, aut a salutatione, quod ibi
dominos officij causa ä clientibus et salutatorum turba
expectarj moris est“55. Der Baupraxis seiner Zeit näher ist
Francesco di Giorgios Beschreibung einer „sala“ im
„palazzo de’principi“: „Sopra del primo pavimento si deve
pervenire per late scale in una loggia sopra i detti cortili;
e appresso a questa loggia deve essere una sala grande e
principale, la quäle debba essere sopra alla piazza, e da ogni
termine di lunghezza della sala debba essere un salotto, dei
quali la lunghezza sia la larghezza della sala predetta .. ,“56.
Paolo Cortese endlich verlangt für die „aula“ des Kardinals-
palastes Bequemlichkeit, große Dimensionen und die Nach-
barschaft einer Kapelle57. Fenster sollen einen Blick auf den
Altar der Kapelle gewähren. Ein „hostium secretum“, eine
Geheimkammer zwischen Saal und Hof, solle das heimliche
Kommen und Gehen der „tabellarii“ und „internuntii“,
der Briefboten und Unterhändler, ermöglichen, ein Ge-
heimfenster die Beobachtung der wartenden Besucher.
Als Fest- und Bankettsaal tritt uns die Sala Grande auch
in einigen Berichten der Zeit entgegen. So beschreibt ein
Mantuaner die Hochzeit des Guidobaldo da Montefeltre
mit Elisabetta Gonzaga, die 1488 im Herzogspalast zu
Urbino stattfand58. Zu diesem Anlaß war die „Sala del
Trono“ ringsum mit einer Kredenz, einem „tribunale“ für
die Festtafel, Podien für die Zuschauer und reichen Stoffen
ausgestattet. Der größte Teil des Raumes wurde jedoch als
Tanzboden ausgespart. Hier fanden die Bälle und Schau-
stellungen statt. Die Sala Grande diente also bei festlichen
Gelegenheiten zugleich als Theater-, Tanz- und Speisesaal.
Im benachbarten (?) Salotto wurde nur ausnahmsweise
getanzt. Ein Fest, das der Kardinal Grimani in seinem Pa-
last, dem Pal. Venezia, veranstaltet hatte, schildert der vene-
54 Alberti ed. Theuer, 224; zum Korridor s. S. 91.
55 Vitruv ed. Philander 1552, 236.
56 Francesco di Giorgio ed. Saluzzo, II, 11.
57 Cortese 1510, fol. 51 v.
58 Luzio-Renier 1893, 15ff.

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