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Furtwaengler, Adolf ; Reichhold, Karl
Griechische Vasenmalerei: Auswahl hervorragender Vasenbilder (Serie I, Text) — München, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.826#0181
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IÖ2 Chalkidische Hydria

Die meisten und wichtigsten chalkidischen Vasen haben die Form der
Amphora, von der verschiedene Typen vorkommen. Es giebt aber auch Kraterc,
Kannen und tiefe Becher') sowie vor allem Hydrien. Eine der schönsten der
wenigen erhaltenen chalkidischen Hydrien ist die Münchener, die wir hier wieder-
geben und die aus Vulci stammt.3)

Sie giebt in ihrer Form ganz offenbar nur Vorbilder von Bronze wieder.
Die Henkel ahmen in Thon genau die Form der gegossenen Bronzehenkel nach,
die an in Bronzeblech getriebene Hydrien gesetzt zu werden pflegten. Wir besitzen
glücklicherweise noch Bronzeoriginale von Hydrien, die wir mit grosser Wahr-
scheinlichkeit als chalkidisches Fabrikat ansehen dürfen. 3) An diesen Originalen
erkennt man, wie die Thonhydrien nur Nachbildungen jener sind, die freilich an
Präcision, Reichtum und Schönheit der Form, dem geringeren Materiale ent-
sprechend, hinter jenen weit zurückbleiben.

Es sind mir ausser der unsrigen noch drei bedeutendere chalkidische Hydrien
bekannt, von denen zwei auch durch Inschriften ausgezeichnet sind. Die eine
befindet sich im Britischen Museum4) und stellt im Hauptbilde einen Kampf von
Helden dar; die andere ist im Fitzwilliam-Museum zu Cambridges), stellt aber nur
ruhigstehende Männer und Frauen dar, denen zum Teil Namen beigeschrieben
sind. Die dritte ward 1875/76 bei Corneto gefunden und wird im dortigen Lokal-
museum aufbewahrt6); sie stellt ebenfalls Heldenkämpfe im Hauptbilde dar, zeigt
aber keine Inschriften.

Alle diese vier chalkidischen Hydrien sind, obwohl nicht in allen Details
übereinstimmend, doch untereinander ausserordentlich nahe verwandt und offenbar
ganz gleicher Zeit angehörig. Sie haben alle die von den metallischen Vorbildern
entlehnten dreigeteilten Henkel, warm rötlichen Thon und stark metallisch glänzenden
Firniss; sie haben ferner alle dieselbe Gesamtform und Einteilung der Dekoration.
Wie bei der Mehrzahl der chalkidischen Amphoren ist auch bei diesen Hydrien
der Bauch der Vase thongrundig gelassen; es erscheinen also nicht ausgesparte
Bildfelder, sondern der ganze Umkreis der Vase ist mit Bild geschmückt. Nur
Hals und Fuss sind immer schwarz. Den Hals unseres Exemplares ziert nur eine
rot aufgemalte Wellenlinie; die Cambridger Hydria zeigt rot und weiss aufgemalte
Punktrosetten. Die Schulter zeigt an unserem Stücke den rein dekorativen und
an chalkidischen ebenso wie an den gleichzeitigen späterkorinthischen Vasen sehr
beliebten Fries von jugendlichen Reitern. In den Zwischenräumen sind hie

') Über ein wichtiges Stück dieser Form vgl, in Roschers Lexikon I, 2213, Z. 15 ff. Olympia
Bd. IV, die Bronzen, S. 148.

a) O. Jahn, Beschrcibg. No. 125. Abgebildet Gerhard, auserles. Vasenb., Taf. 337 (SaL Reinach,
rep. de vases peints II, 120). Das Bild der Rückseite auch in Roschers Lexikon I, 1671 und in
Muller-Wieseler-Wernicke, ant. Denkmäler, Taf. 1, 10; S. 20. Vgl. Kretschiner, Vasen in Schriften S. 67,
No. II (wo aus Versehen Amphora statt Hydria steht).

3) S. meine Nachweise in Olympia, Bd. IV, die Bronzen, ü. 144; dazu Jahrb. d. Inst., arch.
Am. 1894, S. 120, 22.

*) Beschrieben von Walters im Cntaloguc, vol. II, No. B 75.

5) Eine Zeichnung, die genommen ward, als sie noch im römischen Kunslhandcl war, fand
ich vor Jahren im Apparat des Berliner Museums M. M. 267, später fand ich das Original im Fitzwilliam-
Museum vor; es ist jetzt beschrieben und abgebildet von E. Gardner im Catalogue of the greek vases
in the Fitzw. Mus. No. 45; mit Unrecht bezeichnet Gardner sie als >Aitic, probably*.

6) Als No. 105; Photographien von Moscioni No. S262, von der Rückseite.
 
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