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Furtwaengler, Adolf ; Reichhold, Karl
Griechische Vasenmalerei: Auswahl hervorragender Vasenbilder (Serie I, Text) — München, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.826#0229
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Die Phineus-Schale in Würzburg

bildes der Schale, das unsere Tafel 41 giebt, war ganz schlecht und un-
brauchbar.1)

Die Form der Schale erhellt aus der obenstehenden Gesamtansicht. Am
reichsten verziert ist ihre Innenseite (Taf. 41). Den Mittelpunkt nimmt die Maske
eines Silens ein, mit Pferdeohren und Stumpfnase. Ein Stabornament umschliesst
die Maske. Auf den attischen Nachbildungen des Typus der Phineus-Schale tritt
an Stelle der Silensmaske das Gorgoneion. Der Raum um die Maske ist schwarz
gefirnisst, der Rand aber mit einem umlaufenden Bilde geziert, das aus zwei Ab-
teilungen besteht, die unmittelbar aneinanderstossen. Die zwei Fugen werden ge-
bildet einerseits durch eine Epheulaube, andererseits durch eine gemauerte schach-
brettförmig gezeichnete Wand, an welche unmittelbar das Meer anstösst, mit dessen
Darstellung das eine die Phineus-Sage behandelnde Bild abschliesst.

Betrachten wir zunächst dieses Bild. Der geblendete Phineus liegt zum
Mahle gelagert auf der Kline. Sein Oberkörper erscheint von vorne; er langt mit
beiden Händen nach dem Speisetische; doch dieser ist leer. Die bösen Harpyien
haben alles geraubt. Der Gestus der ins Leere tastenden Hände des Blinden ist,
soweit es die bescheidenen Mittel der archaischen Kunst zuliessen, welche Hände
nur entweder ausgestreckt oder geballt darstellen kann, sehr deutlich gemacht.
Die Brustwarzen sind durch einen kleinen gravierten Kreis und die die Spitze der
Warze umgebende dunklere Haut ist durch einen darum gemalten roten Kreis
angedeutet. Eigentümlich sind die geritzten Linien am unteren Ende des Halses.
Die obere Linie muss wohl eine Art Halsband (einen um den Hals gebundenen
Faden) bedeuten; darunter aber sind die Halsgrube und die Schlüsselbeine durch
die untere Linie mit der Rundung in der Mitte angedeutet. Auch an allen übrigen

») Zuerst wurde die Vase beschrieben von H. Brunn im Bull. d. Inst. 1865, p. so f. (wo der
Stil als »affettata imitazione dclt' antico« bezeichnet wird), dann von L. Urlichs im Verzeichn. d. Antiken-
sammlung in WUrzburg, 3. Heft, 1872, S. 89, No. 354 (»vielleicht affektiert«). Abgebildet (das Innenbild)
Monumenti d. Inst. X, Taf. 8, mit Text von Flach, Annali 1S74, p. 182 ff. Die (unglaublich liederliche
und abscheuliche) Abbildung ward wiederholt: Wiener Vorlegebl. Serie C, Tafel 8; Rosthers Lexikon d.
Mythol. I, 2723 und sonst; neue photographische, durch die Rundung stark verkürzte Abbildung,
A', Sittl, Dionysisches Treiben und Dichten, 1S98, Taf. 1. Die eine Aussenseite photographisch bei
Endt, Beilr. z. ionischen Vasenmalerei S. 34; die Bilder beider Aussenseiten nach Zeichnung von
K. Reichhold in den Mitthcil. d. Inst, in Athen Dd. 25, 1900, S. 43 u. 45. Von Besprechungen sind
noch zu erwähnen: Brunn, Probleme S. 16 (>ein mit dem Stile nicht Übereinstimmendes Alphabet«);
Arndt, Studien zur Vasenkunde (1887), S. 53, (»kein Hauch archaischen Geistes«; die ionischen Zeichen
verraten »die Impolenz des Malers«). A. Flasch in Archaol. Zeitg. 1880, S. 138 ff. (sieht die Schale
als attisch an); Furtwängltr, Satyr von Pergamon (1880), S. 23, 2 (»tonisch«); Hdbig in Annali d.
Inst. 1880, 235, II (»fabbrien ionica<)- /,. Slephani, Boreas u. die Boreaden, S. 19 (»affektierte Alter-
lümlichkeiu). E. Thrämtr in Roschers I^exikon I, 1095, 60 (»affektiert archaistisch«). Furtteängltr
in Archüol. Zeitung 1882, S. 203. L. Urlichs, Beiträge zur Kunstgeschichte S. 30. v. Dukn in der
Heidelberger Festschrift zur 36. Philol-Vers. (1S82), S. 109 ff. (»altionisch, wahrscheinlich milesischi).
Lbschtke, Boreas u. Oreithyia, Dorpater Programm 1886, S. 8 Anm. 21 (milesisch). K. Still, die Phineus
Schale und ähnliche Vasen mit bemalten Flachreliefs, WUrzburg 1892, S. 17 ff.. 22 (die Bilder der
Schale werden als »modellierte« und dann bemalte Flachreliefs beschrieben! Anlass zu dem Miss
Verständnis gab der Umstand, dass der Thongrund stark angegriffen ist und dadurch etwas tiefer
liegt als die durch der. Firnis geschützten Teile), v. Duhn im Jahrb. d. Inst., arch. Anzeiger 1892,
S..133 Anm. Studnictka, Jahrb. d. Inst. 1896, S. 267 f. Ktctschmtr, die griech. Vaseninschriften, 1894.
S. 55 f. Furtwängltr in Jahrb. d. arch. Inst., arch. Anzeiger 1895, S. 35, 23. Joh. Endt, Beiträge
zur ionischen Vasenmalerei (1899), S. 34 f. Pottitr, catalogue des vases antiques du I.ouvre I (1899).
p. 511 und 545. B'öhiau, Mitthcil. d. Inst, in Athen 1900, S. 42 ff., 90 ff.
 
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