Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 5.1903

DOI article:
Chasté, Emil: Ein Mahnwort zur Erhaltung deutscher Pflanzensammlungen und Gärten
DOI article:
Lange-Dietharz, Willy: Gartengedanken
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0123
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
100

DIE GARTENKUNST

V, 6

und Beschreibungen einzelner Pflanzen die Leser belehrend,
alle Interessenten ein.
Die Kulturen sind dem Stadt-Obergärtner Hentze
unterstellt und mustergültig, die ganze Art und Weise,
wie dem Publikum dieses Institut zugängig gemacht wird,
ist bis jetzt einzig und als Vorbild nachahmungswert!
Und hierin gipfelt gerade das Mahnwort des Verfassers
dieser Zeilen.
Möge die gesamte Fach- und Tagespresse vor allem
an alle Besitzer hervorragender Pflanzensammlungen und
noch im Weichbilde der Städte belegenen Gartenanlagen
die freundliche, dringende Bitte richten, erstens ihre
Sammlungen an Pflanzen bei Lebzeiten oder nach dem
Tode nicht zu verstreuen, ihre Gärten der Terrain-
spekulation nicht zu opfern, sondern nach bestem Können
durch Vererbung oder normalen Verkauf diese als Ver-
mächtnis in die Verwaltung der Städte geben und zum
Gemeingut der Volkswohlfahrt machen.
Und mit Ehrfurcht werden unsere Kinder am Grabe
eines solchen Wohltäters weilen — wie er es gewesen —
Hermann Gruson.

Meinungsaustausch.
Garteiigedanken.
Von Willy Lange-Dietharz.
Man kann den Garten auf zweierlei Weise gestalten:
Erstens, wie man will, denn man ist Herr seines Eigentums;
wer so denkt, möchte nicht weiter lesen! Zweitens, nach Ge-
setzen, die man über sich selbst stellt.
Gesetze beruhen auf der gesamten Geistesrichtung einer
Zeit; darum wechseln sie mit diesem Zeitgeiste. Der wird
aber im letzten Grunde bestimmt durch das Verhältnis des
Menschen zur Natur. In diesem Verhältnis kann man drei ein-
ander folgende Zustände unterscheiden:
1. Unterordnung des Menschen unter die Natur. (Natur-
völker).
2. Überordnung des Menschen über die Natur, (Kultur-
völker, [Altes Testament 1. Mose 1 V. 28]).
8. Einordnung des Menschen in die Natur. (Naturwissen-
schaftlich denkende Völker der Neuzeit. [Neues
Testament: „Lilien auf dem Felde“ , „Sperlinge auf
dem Dach]).
Alles Menschentun, das eine Dauer, also Geschichte
hat, wird von dem herrschenden Verhältnis zur Natur, durch
den Zeitgeist (oder „Weltanschauung“) bestimmt und — ver-
ändert. So auch der Garten!
Die Urzustände stellen das Wesen jeder Sache oder Tätig-
keit in einfachster Weise dar und es gilt dann bei späterer
Prüfung zu entscheiden, ob die Tätigkeit sich ihrem ursprüng-
lichen Wesen nach folgerichtig entwickelt hat oder nicht. Im
Urzustand suchen und finden wir daher die Erklärung, das
Wesen des Gartenbegriffes: Da war der Garten* *) ein durch
*) In allen indogermanischen Sprachen hat Garten die
gleiche (konsonantische) Wurzel: chort (os), hort (ns), gard (en),
jard (in) u. a„ woraus die Gleichartigkeit des Begriffes bei der
Sprachbildung hervorgeht. Vergeistigt wird der Begriff durch
Betonung des Schutzes, den der Garten gewährt: Hort; gärdr

Gerten umgürteter Teil der Landschaft, in der man sich
niederliefs. Dieser Teil wurde durch Menschenhand*) ge-
pflegt, um Pflanzen darin zu erziehen. Pflanze und Mensch
treten im Garten in ein persönliches Verhältnis.
Der „Urgarten“ war formlos, denn bewufst gestaltende
Regungen waren kaum erwacht.
a) Zur Zeit der Herrschaft des Menschen über die Natur
(anthropocentrische Weltanschauung) entstand der „Kunstgarten“,
der künstlich geformte, geometrische, fälschlich auch architek-
tonisch genannt. Bis zu welch grofsartiger Wirkung diese
Herrschaft über die Pflanze gesteigert werden kann, sieht man
noch heute an den Königsgärten (Versailles und deutsche
Nachschöpfungen).
b) Die naturwissenschaftliche Weltanschauung verbreitet
sich nur langsam. Das Milsverständnis: Wissenschaft sei
religionsfeindlich, unchristlich, ist Schuld daran. Das mufs auch
hier einmal angedeutet werden. Denn ich weifs, dafs viele auf
Grund dieses Milsverständnisses wissenschaftlicher Weltan-
schauung und ihren Folgerungen im Leben und in der Kunst
sich verschlielsen; sie bleiben lieber auf dem Standpunkt des
1. Buch Mose. Und doch war es Jesus, der zuerst die Liebe
zu aller Kreatur lehrte und forderte. Diese Liebe heifst wissen-
schaftlich: Gleichheit aller Lebewesen in ihrem Rechte auf
das Dasein. Auf Grund dieser Anschauung geben wir der
Pflanze das gleiche Recht, sich auszuleben, wie uns selbst,
d. h. wir schaffen ihr den natürlichen Zustand ihres Nährbodens
in seiner Zusammensetzung und Gestalt.
Aus den beiden vorhergehenden Absätzen (a und b) er-
geben sich als Begriffsfolgerungen:
Die Verwirklichung einseitig menschlichen Willens ist
„Künstlichkeit“ (künstliche „Formung“ in Kunsthand-
werken — „Kunstgärtnerei“: Kunstgarten).
Nachschaffen der Natur mit ihren Rechten von Ursache
und Wirkung ist „Kunst“, künstlerischer „Stil“. (Stil ist
die dem inneren Wesen der Darstellung entsprechende Form;
[Stil wird fälschlich als „Fremdwort“ oft für blofse Form benutzt!))
Bildhauerkunst — „Gartenkunst“. Ein künstlerischer „stilvoller“
Garten hat also eine dem Wesen seines Hauptinhaltes, der
Pflanze entsprechende Form, d. h. eine natürliche. Einen solchen
Garten kann man als „künstlerischen Naturgarten“ be-
zeichnen, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Weltan-
schauung.
Doch auch der Mensch soll in diesem Garten zu seinem
Recht kommen (siehe später!). Denn: „Ehrlicher als unwahre
oder unzulänglich nachgebildete „Naturwerke“ und darum oft
richtiger sind „Menschenwerke“ im Garten; — so schlols ich
neulich einen Aufsatz über Felsgestaltungen in einer Zeitschrift
für Gartenfreunde. —
Ich habe viel von Gartenfreunden gelernt, gehöre also nicht
zu denen, die nur dem Fachmann ein Urteil zubilligen. Ist
doch die Gartenkunst das Betätigungsgebiet persönlichster
Heimat- und Heim-Kunst und kein gelieferter Garten wird
an Stimmungswert mit dem persönlich geschaffenen wett-
eifern können —- aulser, wenn der Gartenkünstler versteht, auf
Grund seiner Fachkenntnis richtig, aber aus der persönlichen
Seele des Besitzers heraus zu schaffen. Ich gebe also dem
Laien das weiteste Recht eigener Meinung: anders ist es, wenn
der Laie mit der Anmafsung auftritt, er könne alle anderen
belehren, wenn er, ohne anscheinend die ernste Litteratur über
(nord.) = bewahren, garder, garde und gürten (= umschliefsen)
Gurt, Gürtel. EinWesensteil des Gartens ist demnach der Zaun.
*) Im Gegensatz zum Ackerbau ^Pflanzenzucht durch tierische
Hilfskraft, aus dem Garten hervorgegangen, nicht umgekehrt!
 
Annotationen