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Die Gartenkunst — 14.1912

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Singer, Wolfgang: Künstlerische Richtlinien für die Unterhaltung der Gartenanlagen: Vortrag
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Hoemann, Reinhold: Frostschäden des vergangenen Winters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0257
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DIE GARTENKUNST.

XIV, 16

sowie die Möglichkeit, zahlreiche Sitz-, Spiel- und
Sportplätze in festgerahmter Form anzureihen.

Gegenüber diesen gewaltigen Vorteilen müssen die
mancherlei künstlerischen und praktischen Schwierig-
keiten und die Bedenken gegen so tief einschneidende
Eingriffe in den Charakter des landschaftlichen Parkes
zurücktreten: neue Aufgaben müssen uns jeder-
zeit zu neuenldeen und zur Schaffung neuer
Ausdrucksformen bereit finden!-

Meine Ausführungen lassen sich in die folgenden
Richtlinien zusammenfassen:

1. Für die Unterhaltung und Pflege der Gärten
sind die gleichen künstlerischen Richtlinien maßgebend
wie für die Gartenneugestaltung; deshalb erfordert die
Gartenunterhaltung neben gediegenen fachlichen Kennt-
nissen ein ausreichendes Maß künstlerischer Ausbildung.

2. Nur solche Gärten, die als typische Repräsen-
tanten eines Stils von anerkannter Bedeutung sind,
müssen vollkommen unverändert erhalten und sollten
unter Denkmalschutz gestellt werden; im übrigen sind
die Gartenanlagen ihren Zwecken anzupassen und dem
fortschreitenden Zeitgeist entsprechend zu unterhalten
und fortzubilden.

3. Die völlige Umgestaltung bestehender Gärten
in Stil und Form erheischt eingehende Begründung
und künstlerische Erwägungen nach den Prinzipien
der Gartenneugestaltung.

4. Jede Änderung des Zweckes eines Gartens
und neu auftretende Bedürfnisse können und müssen
bei der Unterhaltung Berücksichtigung finden; für die
notwendigen Änderungen sind immer streng künst-
lerische Lösungen zu suchen.

5. Ebenso wie im formalen Garten die Verwendung
freier Naturformen beim Blumen- und Pflanzenschmuck
zulässig ist, können in die Landschaftsparke symme-
trische Teile eingegliedert werden, z. B. Blumengärten,
die verschiedenartigen Versammlungsräume wie Prome-
naden, Spiel- und Ruheplätze. Jedoch ist immer und
überall eine deutliche Abgrenzung der regelmäßigen
von den landschaftlichen Gartenteilen erforderlich.

6. Blumen und Pflanzen sind nicht allein ihrer
selbst willen im Garten, sie haben zunächst einen
künstlerischen Zweck als Linie, Fläche, Körper oder
Farbe zu erfüllen.

7. Im architektonischen Garten müssen die Blumen
zumeist in geometrisch begrenzten Beetformen auf-
treten. Der Blumenschmuck des Landschaftsparkes
kann in eigenen regelmäßigen Blumengärten, an-
schließend an Bauwerke etc., oder in natürlichen For-
men (Blumenwiese, lockerer Blumenrand vor Gehölz-
gruppen, Pflanzenteppich im Walde und Wasser etc.)
angeordnet werden.

8. Charakter, Eigenschaften und Lebensbedürfnisse
der Blumen und Pflanzen sind bei Auswahl der Einzel-
pflanzen und Pflanzenzusammenstellungen zu würdigen,
doch ist die Rücksichtsnahme auf die einzelnen In-
dividuen der räumlichen und malerischen Gesamtwirkung
unterzuordnen.

9. Im formalen Garten sind der Verwendung des
Pflanzenmaterials weniger enge Grenzen gezogen als
im Landschaftsparke; immer müssen die verschiedenen
Pflanzencharaktere scharf getrennt werden. Fehlerhafte
Materialverwendung erscheint stets als Kunstfehler.

10. Die Rücksichten auf das Ganze erfordern
frühzeitiges Entfernen aller überflüssigen Pflanzen und
Pflanzenteile, mögen diese auch gesund und schön sein;
Beschneiden und Ausholzen müssen ohne falsche Ge-
fühlsduselei durchgeführt und notwendige Verjüngungen
mit weitausschauendem Blick vorbereitet werden.

11. Für die Unterhaltung öffentlicher Anlagen ist
nur der künstlerisch und fachlich vorgebildete Garten-
beamte verantwortlich zu machen, deshalb aber auch
mit den nötigen Vollmachten auszustatten. Die Be-
schränkung, für Ausholzungen die vorherige Geneh-
migung unsachverständiger Stellen zu erwirken, hat
sich überall einer künstlerischen Parkpflege höchst ab-
träglich erwiesen. — —

Zahlreich und vielgestaltlich sind die Probleme der
Gartenunterhaltung; vielfach erfordern sie ein gleich
großes Maß von Kunstverständnis, Können und Wissen
denn die Neugestaltung der Gärten.

Viel Schwierigkeiten künstlerischer und praktischer
Art sind zu überwinden.

Unumgänglich notwendig sind dazu eine gute
fachliche und künstlerische Vorbildung, Lust und Liebe
zur Sache, freudiges Eingehen auf die Bedürfnisse
der Zeit und ernstes, ernstes Nachdenken:

Denken an die Regeln der Schönheit, Denken
an die Zukunft und Fortbildung des in seiner Entwicke-
lung nimmer rastenden lebendigen Materials, Denken
an den Zweck, die Zwecke.

All das zusammen wird zu einer glücklichen Lösung
der großen Aufgaben führen, uns lehren und befäh-
igen, die uns anvertrauten kostbaren Schätze zu er-
halten und zu mehren.

Auf zur Arbeit!

Was du ererbt von Deinen Vätern,

Erwirb es, um es zu besitzen!

Frostschäden des vergangenen Winters.

Von Reinhold Hoemann, Düsseldorf.

Der vergangene Winter wäre als außergewöhnlich
mild zu bezeichnen, wenn nicht diese Milde durch eine
kurze aber scharfe Frostperiode unterbrochen worden
wäre. Wenn ich mich recht erinnere, trat dieser Frost
Ende Januar ein, er dauerte hier 3—4 Tage, das Thermo-
meter fiel bis auf —190 C, um dann nach einem
plötzlichen Wettersturz innerhalb 24 Stunden auf -(-6°
zu steigen.

Diese Frostperiode hat hier allenthalben Schaden
angerichtet und zwar derartig, wie er in den letzten
beiden Dezennien nicht beobachtet wurde. Ob nun die
intensive Kälte allein schädigte, oder ob der Schaden
deshalb so groß war, weil bis zum Eintritt dieser Kälte
 
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