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Die Gartenkunst — 14.1912

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Singer, Wolfgang: Künstlerische Richtlinien für die Unterhaltung der Gartenanlagen: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0256

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XIV, 16

DIE GARTENKUNST.

249

sterben. Nein rechtzeitig, nach Prüfung der künst-
lerischenRücksichten entweder durch Lichten der Bäume
die Lebensbedingungen der Blütensträucher er-
halten oder diese erbarmungslos ausmerzen
und durch echte Unterholzpflanzen ersetzen, wenn nicht
die Überleitung der Gehölzgruppe in den Hain über-
haupt vorzuziehen ist. —

Nicht Schönheit allein suchen wir heute im Garten,
ganz gleich in welchen Kunstformen er angelegt, er
ist nicht lediglich Zweck an sich; mehr denn je muß
er neben der Befriedigung des Schönheitsgefühles vor
allem Raum für Wohnung und Erholung im Freien,
für Spiel und Sport bieten. Wir haben uns im Jahre
1908 in Potsdam lange über die Ausnützung der öffent-
lichen Anlagen für die Bevölkerung unterhalten und
ich habe bei meinem damaligen Vortrage immer wieder
auf künstlerische Lösung der Zweck-Probleme hin-
gearbeitet.

Rascher als ich erhofft, hat sich manches erfüllt,
neues Leben ist in unsere Anlagen eingezogen, auf
den einst so heilig geschützten Rasenflächen tummeln
sich frohe Kinderscharen und im Kreise der Familie
lagern müde Männer, Erholung von anstrengender Arbeit
suchend.

Wohl entstehen damit manche häßliche Flecke im
einst so gleichmäßig üppigen Rasen, die aber werden
wieder verschwinden, wenn wir sinnen und trachten,
den neuen Verhältnissen durch neue Mittel Rechnung
zu tragen und immer größere Vollkommenheit in der
praktischen Pflege des Rasens zu erreichen. Vieles
aber könnte gebessert werden, wenn einer meiner
Potsdamer Ratschläge besser befolgt würde: die scharfe
Abgrenzung der freigegebenen Flächen, die nicht
allein aus praktischen, sondern vor allem allem aus
künstlerischen Rücksichten sich empfiehlt. Leicht
durchführbar im formalen Garten verlangt diese Ab-
grenzung viel Nachdenken im Landschafts-
parke; doch wo ein Wille, da ist auch ein Weg.

Oft ist die straffe Abscheidung ohne große Kosten
durch Einziehen regelmäßiger Wege zu erreichen, —
für mich ist der Landschaftspark mit rechtwinkligem
Wegnetz noch lange kein architektonischer Garten,
denn ich finde den Unterschied zwischen beiden Stil-
arten weniger im Grundriß als im Aufbau — im Not-
fälle scheue ich nicht vor einer unauffälligen und noch
weniger vor einer kräftig in die Erscheinung tretenden
Umzäunung zurück, denn auch im Landschaftsgarten
darf der Mensch seinen ordnenden Einfluß, Zweck und
Absicht allüberall deutlich erkennen lassen.

Die regelmäßigen Wege im landschaftlichen Park
geben Anlaß zu Erwägungen, ob und in welchen Fällen
überhaupt eine Umbildung der Gärten in eine andere
Stilart und Mischung der Stile erlaubt oder notwendig
ist ? Wir kennen aus der Geschichte der Gartenkunst
viele und darunter auch sehr gute Beispiele für den
mehr oder minder einschneidenden Einfluß des Zeit-
alters des Naturalismus und der Romantik auf Kunst-
gärten der Renaissance- und Barockzeit.

Selbsverständlich ist der umgekehrte Weg nicht
minder zulässig. Ich selbst bin der Meinung, daß
durch Einbau geschlossener regelmäßiger Teile in die
Landschaftsgärten diese zum mindesten in praktischer,
d. h. wohnlicher Beziehung nur gewinnen würden.

Ein gewisses Gefühl für die Notwendigkeit im
Landschaftsgarten die zu Wohnzwecken dienenden
Plätze formal zu gestalten, hat in Deutschland wohl
immer bestanden, denn in allen Parken des sog. Meyer-
schen Stils sind Ruhe-, Spiel- und Aussichtsplätze
meistens regelmäßig im Grundriß dargestellt, nur
fehlt diesen Plätzen fast überall die zur architektonischen
Wirkung unentbehrliche Raumbildung und die uner-
läßliche strenge Abgrenzung solch’ regelmäßiger von
den freigeformten Parkteilen.

Für den Umbau eines landschaftlichen in einen
formalen Villengarten sah ich jüngst einen interessanten
Versuch in Düsseldorf.

Es handelte sich um eines der landläufigen, cha-
rakterlosen Konglomerate ohne inneren Zusammenhang
aneinandergereihter Bäume, Sträucher und Rasenflächen
mit durchziehenden Schlängelwegen.

Der Gartenarchitekt hat nun sämtliche Wege in
streng geometrische Formen gelegt und in diesem
Grundriß die einzelnen Räume für die verschieden-
artigsten Bedürfnisse und Liebhabereien des Besitzers
untergebracht.

Wie ich vorher sagte, machen geradlinige Wege
einen Garten noch lange nicht zu einen architektoni-
schen; mit einem regelmäßigen Wegenetze kann man
vielleicht einen geometrischen, nicht aber einen archi-
tektonischen Garten charakterisieren, denn dieser braucht
außer der Flächendurchbildung notwendig auch eine
geschlossene Gestaltung nach der Höhe hin.

In dem vorgenannten Garten sind nun mehrfach
derartige Raumbildungen vorgenommen und sofort
glückliche Wirkungen erzielt worden; an anderen
Stellen aber sind die Bilder lediglich durch die regel-
mäßigen Wege getrennt, sie erscheinen also dem Be-
schauer lose aneinandergereiht, ohne vertikale Ab-
grenzung, ohne Rahmen und lassen deshalb das Gefühl
der räumlichen Geschlossenheit vermissen.

Nicht daß nun jedes Zimmer im Garten oder Park
mit einer undurchsichtigen Mauer von gewaltiger Höhe
umrahmt sein müsse, o nein, auch Hecken, Blumen-
beete, Baumreihen, leichte Zäune, Spaliere, Terrassen,
ja selbst ein paar Pfeiler oder Hermen am Wege reichen
je nach Verhältnis aus, um die Raumbildung augen-
fällig zu betonen.

Der Einbau gradliniger Wege beansprucht für eine
zweckmäßige Anpassung des öffentlichen Landschafts-
parkes an die heutigen Bedürfnisse durch Ausbildung
großer gerader Achsen in Form von breiten Alleen mit
eingelagerten Plätzen besondere Beachtung, denn sie
schaffen neben einer großartigen architektonischen
Wirkung ein festes Gefüge für den stets wachsenden
Massenverkehr, geben Gelegenheit zur rhythmischen An-
gliederung reichen Schmucks aus Blumen und Plastiken,
 
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