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Die Gartenkunst — 31.1918

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Staehle, K.: Aufgaben der Garten- und Friedhofsverwaltungen während des Kriegs und nach Friedensschluß
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https://doi.org/10.11588/diglit.22268#0141
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Aufgaben der Garten- und Friedhofverwaltungen
während des Kriegs und nach Friedensschluß.

Der Krieg ist ein großer Umgestalter. Wie
er ins Leben des Einzelnen griff, so auch in die
Aufgaben der Stadtverwaltungen. Die Garten-
verwaltungen hatten bei Ausbruch des Krieges
geradezu die Überzeugung, daß ihre seitherige
Tätigkeit unwichtig und unbedeutend gegenüber
dem großen Geschehen Krieg dastand. Was sie
bislang betrieben hatten, diente zu allermeist der
Freude und Erholung der Städter, und nun mar-
schierte Deutschlands Mannschaft hinaus zum
blutigen Kampf, Sorge und Not zogen bei den
Zurückgebliebenen ein. Die Friedenssonne, die
so Prächtiges in den deutschen Landen in den
letzten Jahrzehnten erstehen ließ, wich einem
bleigrauen, düsteren Himmel.

Noch waren die Vorratskammern wohlge-
füllt. Wenn auch Einzelne zur Sparsamkeit
mahnten und eine Förderung der Bodenerzeug-
nisse anstrebten, im großen Ganzen war zu Be-
ginn des Krieges eine der jetzigen Hauptauf-
gaben der Gartenverwaltungen, selbsttätig in
die Erzeugung einzugreifen, noch nicht als not-
wendig erkannt worden. Heute müssen wir
leider sagen. Denn hätten wir uns von vorn-
herein klar gemacht, daß der moderne Koalitions-
krieg nicht in Wochen entschieden werden kann,
so hätten wir durch unsere Fürsorge dem Mangel
an Lebensmitteln besser Vorbeugen können.

Wollen wir im Zusammenhänge die Aufgaben
der Gartenverwaltungen während und nach dem
Kriege erörtern, dann drängt sich uns zunächst
die Erkenntnis auf, daß unsere berufliche Arbeit
jetzt und späterhin nicht mehr ein Wettlauf der
Städte sein darf, sich zu überbieten in dem, was
sie an Schönheitswerten der Bevölkerung bie-
ten können, sondern an Stelle dieser Bestre-
bungen tritt die ernste Pflicht, dafür zu sorgen,
daß die Lebensbedürfnisse der Städ-
ter als eines Teiles des so schwer
heimgesuchten deutschen Volkes nach
der wirtschaftlichen und gesundheit-
lichen Seite hin ihre volle Befriedi-
gung finden.

Je größer die Städte, je schwieriger die Auf-
gaben. Denn wir wissen ja, wie mit der Um-
formung des deutschen Agrarstaates in einen
Industriestaat eine Abwanderung vom Lande
begann und die Städte an Einwohnerzahl riesig
wuchsen, wie dadurch aber ein großer Teil un-
serer Volksgenossen der nährenden Scholle ent-
zogen und oft zu einem kümmerlichen und
unnatürlichen Leben gezwungen wurde. Die
Tüchtigkeit eines Volkes gründet sich auf das
Wohl der Familien als der vielen Einzelzellen,
aus denen ein Staatskörper besteht. Nicht der

Reichtum eines Volkes, sondern die Summe
seiner gesunden kräftigen Einzelindividuen
macht es fähig, seinen Platz in der Welt zu be-
haupten. Daher die zwingende Notwendigkeit
der Städte, alles dafür einzusetzen, das Wohl
jedes einzelnen der Stadtbewohner zu fördern,
den Gefahren der Großstadt vorzubeugen und
eine vernünftige Lebensweise zu ermöglichen.

Der Krieg hat uns in erschreckender Deutlich-
keit die Schattenseiten des Stadtlebens gezeigt,
nun gilt es, die Wurzel des Übels zu fassen. Den
Gartenverwaltungen fällt eine der Hauptauf-
gaben der Abhilfe zu. Nicht als ob wir vor dem
Kriege nur in der Erfüllung der Schönheitswerte
unsere Aufgaben gefunden hätten. Wir haben
auch mittelbar und unmittelbar den Wohlfahrts-
zwecken gedient. Jetzt gilt es aber in ganz
andererWeise eine breite Unterlage für gemein-
nützige Aufgaben zu schaffen und alles, was
unseren früheren Anschauungen gemäß nur der
Schönheitsbefriedigung diente, beiseite zu stellen.

#

Während des Krieges beschäftigte die Garten-
verwaltungen in immer steigendem Maße die
selbsttätige Erzeugung von Nahrungs-
mitteln. Nur wenige Gartenverwaltungen
haben auch vor dem Kriege schon rein wirtschaft-
liche Anlagen eingerichtet, wie z. B. die Stadt Hil-
desheim. Es liegt auf der Hand, daß der Nutzen
nicht hoch genug geschätzt werden konnte, wenn
der Krieg schon solche Verhältnisse antraf. Den-
jenigen Verwaltungen, die ganz neu vor solchen
Aufgaben standen, wurde die Selbsterzeugung
sehr viel schwieriger; sie waren vielfach auf un-
bearbeitetes Land angewiesen, entbehrten der
sachverständigen Hilfskräfte und zahlten erst
teures Lehrgeld. Mit der Zeit sind die Erfolge
besser geworden, und heute tragen fast alle
Gartenverwaltungen einen ganz wesentlichen
Teil zur Ernährung der Bevölkerung bei.

Es erhebt sich nun die Frage, ob auch für
die Zukunft die Eigenerzeugung an Nahrungs-
mitteln durch die Gartenverwaltungen in der
jetzigen Weise fortbestehen soll. Für die ganze
Übergangswirtschaft würde ich das Festhalten
am Eigenanbau der wichtigsten Gemüsearten
dringend empfehlen, auch auf die Gefahr hin,
daß nichts dabei verdient wird. Sobald jedoch
der freie Handel wieder in Kraft tritt und die
Lebensmittelpreise sich abbauen, muß die Er-
zeugung für den Markt in die Hände der Pri-
vatwirtschaft zurückgegeben werden. In anderer
segensreicher Art müssen die Gartenverwal-
tungen die Förderung der Erzeugnisse imGarten-

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