Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 33.1920

DOI Artikel:
Der Kulturmensch in seinem Verhältnis zum Garten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0092

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Besitzung Dr. Kr., Alsbach a. d. Bergstraße.
Blick vom Hause in östlicher Richtung über den Blumengarten.
(Das Springbrunnenbetken -war vorhanden, das Gebäude im Hintergrunde steht auf dem Nadibargrundstüds.)
Gartenardiitekt F. Wirlz, Frankfurt a. M. und Heidelberg-Sdilierbadi.

aristokratischen Epochen der Garten, als ein mit lauem Herzen und halbabwesenden Sinnen.
Privileg der Höchstgeborenen, mehr ein Palast- Wer aber seine Bibliothek nur von der Rücken-
garten als ein Hausgarten, so demokratisiert er ansieht kennt und seine Bilder und Blumenbeete
sich heute zusehends unter dem nivellierenden verständnislos obenhin betrachtet, der handelt
Einfluß der verallgemeinerten Kapitalbildung. ebenso unsinnig, wie wenn er seine Felder brach-
Großstadtlärm, Maschineng erassel, Fabrikschlot- lieg en ließe oder die Hälfte seiner Wertpapiere in
qualm sorgten dafür, daß das Haus im Garten den See würfe: Er verzichtet auf einen Teilertrag
zum modernen Wohnideal ward. seines Eigentums. Die Obligation soll bares Geld
In Europa bildet heute geradezu die Aus- eintragen, der Acker Weizen, das Haus Schutz und
dehnung des Gartenareals und der Stand der Wohnlichkeit, das Gemälde ästhetische Anregung
Gartenpflege einen Maßstab für den Wohlstand und Befriedigung, der Garten intimes Zusammen-
und für die Kultur eines Landes. Entsprechend leben mit der veredelten Natur,
ihrem Reichtum und ihrem verfeinerten Lebens- Aber diese Zinserträge bilden noch nicht das
zuschnitt hatten bis vor kurzem Frankreich und endgültige Einkommen. Der Wert aller Werte
England im Gartenbau die Führung; das uner- ist das Leben selbst und nur, insofern die Nutz-
müdlich arbeitende Deutschland ist auch auf nießungen der verschiedenen Güter sich in diesen
diesem Gebiete hinter den anderen Völkern nicht letztenWert umsetzen lassen und ihrem Besitzer
zurückgeblieben. Im deutschen Sprachbezirke gilt Lebenskraft und Lebensgehalt und Lebenslust
der Garten heute als selbstverständlicheDepen- steigern, nur insofern tragen sie reellen Zins
denz einer größeren Wohnung, das moderne und nicht nur Scheinzins. Geld verdienen, Ge-
deutsche Hausv endigt erst an der Gartenmauer. mälde kaufen, Gärten sich anlegen, ist nur sub-
Mit etwas lautem Eifer waren neugebackene alterne Vorarbeit zur persönlichen Lebensstei-
„ Gartenarchitekten" am Werk, den neuzeitlichen gerung durch geistige und ästhetische Kultur;
Garten unseren geistigen und materiellen Bedürf- wer nicht diese höchste und letzte Rendite aus
nissen anzumessen. Es gehörte bislang zum seinem Besitztum herausholt, der ist ein armer
guten Ton, an seinen eigenen Marechalniel- Teufel, und wenn er den größten Park und die
Rosen zu riechen und den Nachmittagstee in der wertvollste Gemäldesammlung besäße.
Klematislaube zu trinken. Nur will mir scheinen: Eine solche intensive oder fahrlässige Äus-
viele Begüterte besitzen ihre wohlangelegten nutzung seiner Habe ist nicht ausschließlich pri-
und wohlgepflegten Gärten auf ähnliche Weise vateÄngelegenheit. Jeder Privatbesitz ist zugleich
wie ihre Gemäldegalerien und ihre Bibliotheken: ein Teil des Nationalvermögens. Ähnlich wie
hauptsächlich der Mode zulieb, und deshalb nur brachliegende Felder das materielle National-

86
 
Annotationen