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Renaissance-Dekoration gehört, verdankt das Ornament, daß es
nicht überhaupt völlig ausgeschaltet wurde. Allein es wurde ratio-
nalisiert. Der gleichmäßige Fluß wurde in durch die Formen selbst
gegebenen Abständen unterbrochen. Die Linzelerstreckungen zwischen
diesen neuen Aufmerksamkeitspunkten werden isoliert.
In die mittleren Rreuzungspunkte der Rielbögen nämlich werden
Scharniere eingesetzt, runde, wo die runden Bögen sich gegenein-
anderlegen, viereckige, wo die spitzen Endigungen Zusammentreffen
(Ulm, Rathaustreppe, etwa )S30—40). Durch dies Abziehen auf eine
reine Ronturform wird das Motiv ärmlich und nackt gemacht. Man
hat aber noch im Jahrhundert wieder diese Art, das Motiv mit
Gelenkknoten zu italianisieren, fallen gelassen und das Interesse auf
die Innenformen gestellt. Doch wird dann die Gesamtbewegung da-
durch rhythmisiert, daß in gewissen Abständen Trennungen vor-
genommen werden, etwa durch eingeschobene Pfosten (Cöln, Mariä
Himmelfahrtskirche, Lmporenbrüftung. Aachen, Michaelkirche, Vergl.
Braun, Die Lirchenbauten der deutschen Jesuiten zgos Abb. 6s
und )05. Molsheim, Rathaustreppe.)
Rommt das verschlungene Rielbogenornament in der Renaissance
aber einmal in Norddeutschland vor, so wird es gleich in eine male-
rische Flächenerscheinung umgedeutet. (Goslar, Balkonbrüstung des
Rathauses). Das Interesse wird von den Randformen abgelenkt
und durch die palmettenähnlichen Füllungen, die in den Halbsonnen
niedersächsischer Fachwerkbauten ihre nächsten Verwandten haben,
auf die Fläche gezogen. Das Ausstrahlen so vieler richtungsverschie-
dener Linzelformen erzeugt jene unruhigen, rein malerischen Bewe-
gungsreize der Gesamtfläche, die im Gegensatz zu der ursprünglich
mehr linearen Art des Motivs stehen. In Norddeutschland blieb das
Interesse immer gleichmäßig der Binnenform zugewandt, eine Um-
setzung in die Lonturform fand hier nicht statt.
Rapitel III: Bildmäßigkeit
Verlangsamung der Bewegung und Verschleifung bedeuten eine
optische Beruhigung in der Sondergotik. Das Problem der Form
wird durch bildmäßige Auffassung in malerischem Sinn zu lösen
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