bald langgezogenen, bald kurz zusammengeschobenen Profilen ver-
langte. Dies hat aber seinen tieferen Grund darin, daß die Sonder-
gotik das Gewölbe als eine Einheit empfindet gegenüber den
Trägern und dies im Verhältnis zum Raum zum Ausdruck bringen
mußte. Pfeilerprofilierung und System der Linwölbung sind ho-
mogen in der Gotik, heterogen aber in der Sondergotik. Hier werden
die Gegensätze herausgetrieben, der relativ einfache Pfeilerstamm
wird dem vielverzweigten Deckensystem entgegengeführt. In der
Gotik entwickelt sich das Gewölbe aus den Trägern und der
Schlußstein wird als Ziel genommen bei dem gleichmäßigen Aus-
wärts der Lraftstrahlen. In der Sondergotik werden die Pfeiler
als Zentrum angesehen, die Lappen schieben sich rings heran im
Abwärts der Linienbewegung der Rippen. Namentlich in den Chor-
polygonen kam die eminente Feinfühligkeit -er Gotik zur Erschei-
nung: wie die Rippen nur durch ihr Ausstrahlen den Schlußstein
in der Schwebe zu halten scheinen. Und wieder die Sondergotik gibt
dort ihr bestes, wo sie entsprechend dem Sinken des Raums in der
Chornische das Linienspiel der Rippen herabrauschen läßt. (Chor
in Pirna. Tafel s).
Das Gewölbe aber erhält im Raumbild eine erhöhte Bedeutung.
Der Reichtum individueller Gewölbefigurationen kommt so zu
seinem Recht. Wie zurück bleibt da die Gotik mit der nackten Starr-
heit ihrer immer gleichmäßigen Gewölbeform der vier Lreuz-
rippenl Denn die Gotik kann nicht darüber hinaus, mit dieser Wöl-
bungsart steht und fällt sie. Die figurierte Decke nun wird mehr und
mehr als ein Gebilde für sich betrachtet und zwar als ein Wesen
von lauter Lebensäußerung. Das ist spezifisch deutsch: der Ligen-
wert sondergotischer Gewölbe wie der Balkendecken drängt sich
hervor. Dieselbe Anschauung kommt noch in den kraftvoll schwer-
fällig bewegten Deckenbildungen des deutschen Barocks zutage.
Der gleichen Wandlung sind Figur und Gewand in ihrem gegen-
seitigen Verhältnis unterworfen. In der Gotik bilden Figur und
Gewand eine Bewegungseinheit. Die Sondergotik bringt dann
einen von der Flgur unabhängigen Gewandstil, der in seiner
Entwicklung alle Stufen vom leichten Faltengerinnsel bis zum
aufrauschenden, wie sturmgepeitschten Faltenschwall durchläuft.
Daß die Gewölbefiguration als Eigenwert und als etwas Ein-
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langte. Dies hat aber seinen tieferen Grund darin, daß die Sonder-
gotik das Gewölbe als eine Einheit empfindet gegenüber den
Trägern und dies im Verhältnis zum Raum zum Ausdruck bringen
mußte. Pfeilerprofilierung und System der Linwölbung sind ho-
mogen in der Gotik, heterogen aber in der Sondergotik. Hier werden
die Gegensätze herausgetrieben, der relativ einfache Pfeilerstamm
wird dem vielverzweigten Deckensystem entgegengeführt. In der
Gotik entwickelt sich das Gewölbe aus den Trägern und der
Schlußstein wird als Ziel genommen bei dem gleichmäßigen Aus-
wärts der Lraftstrahlen. In der Sondergotik werden die Pfeiler
als Zentrum angesehen, die Lappen schieben sich rings heran im
Abwärts der Linienbewegung der Rippen. Namentlich in den Chor-
polygonen kam die eminente Feinfühligkeit -er Gotik zur Erschei-
nung: wie die Rippen nur durch ihr Ausstrahlen den Schlußstein
in der Schwebe zu halten scheinen. Und wieder die Sondergotik gibt
dort ihr bestes, wo sie entsprechend dem Sinken des Raums in der
Chornische das Linienspiel der Rippen herabrauschen läßt. (Chor
in Pirna. Tafel s).
Das Gewölbe aber erhält im Raumbild eine erhöhte Bedeutung.
Der Reichtum individueller Gewölbefigurationen kommt so zu
seinem Recht. Wie zurück bleibt da die Gotik mit der nackten Starr-
heit ihrer immer gleichmäßigen Gewölbeform der vier Lreuz-
rippenl Denn die Gotik kann nicht darüber hinaus, mit dieser Wöl-
bungsart steht und fällt sie. Die figurierte Decke nun wird mehr und
mehr als ein Gebilde für sich betrachtet und zwar als ein Wesen
von lauter Lebensäußerung. Das ist spezifisch deutsch: der Ligen-
wert sondergotischer Gewölbe wie der Balkendecken drängt sich
hervor. Dieselbe Anschauung kommt noch in den kraftvoll schwer-
fällig bewegten Deckenbildungen des deutschen Barocks zutage.
Der gleichen Wandlung sind Figur und Gewand in ihrem gegen-
seitigen Verhältnis unterworfen. In der Gotik bilden Figur und
Gewand eine Bewegungseinheit. Die Sondergotik bringt dann
einen von der Flgur unabhängigen Gewandstil, der in seiner
Entwicklung alle Stufen vom leichten Faltengerinnsel bis zum
aufrauschenden, wie sturmgepeitschten Faltenschwall durchläuft.
Daß die Gewölbefiguration als Eigenwert und als etwas Ein-
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