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Pecht geht wohl etwas zu weit, wenn er meint,' dass dieses Gemälde „unmittelbar an Gian Bellin's
liebenswürdige Schöpfungen erinnert"; wohl aber überrascht es durch die lautere Schönheit der
Madonna und durch die helle Glaubensfreudigkeit des Künstlers, welche in dem entzückend natür-
lichen Vortrage des Bildes zum Ausdruck gelangt. Auch in einer anspruchsvolleren Umgebung, als
auf dem einfachen Altare der Pfarrkirche zu Dölsach, würde dieses Gemälde sich in hohen Ehren
behaupten. Defregger, der dasselbe in Bozen fertig gemalt hatte, wo er Heilung von seinem Leiden
gefunden, blieb noch fast zwei Jahre in der herrlichen Stadt am Eisack, und malte daselbst, ausser
einigen Tiroler Genrescenen, worunter „Der Ball auf der Alm", dann „Das Preispferd", „Die beiden
Brüder" und „Italienische Bettelsänger" durch die Wiener Welt-Ausstellung von 1873, auf der sie zu
sehen waren, am meisten bekannt geworden lind, sein erstes historisches Genrebild: „Das letzte Auf-
gebot," dessen ungewöhnlicher und wohlverdienter Erfolg in der frischen Erinnerung aller Kunstfreunde
lebt. Es ziert gegenwärtig zum bleibenden Andenken an die bestandene Galerie Oelzelt in Wien, als
pietätvolles Geschenk des Erben derselben, die kaiserliche Gemälde-Galerie im Belvedere, und ist durch
unzählige Reproduktionen so bekannt und im besten Sinne populär geworden wie kaum ein anderes
Werk der neuesten deutsehen Kumt.
Völlig wiedergenesen, kehrte Defr egger nach München zurück, erwarb in einer abgelegenen
ruhigen Strasse ein Häuschen sammt einem grossen Garten und schuf dort eine ganze Reihe von
Gemälden, die seinen Ruf befesf igten und steigerten. Es sind zumeist einfache, auf heimatlichen Motiven
beruhende Genrescenen, aus denen theils ein ungesuchter wirksamer Humor spricht, wie in dem drastisch
vorgetragenen Bilde „Die gebissene Gans," theils eine naive Freude an dem Seienden, an dessen Schönheit
und Erquicklichkeit, wie aus dem gegenwärtig im Belvedere befindlichen „Zitherspieler" und dem
reizenden Familienbildchen „Der Besuch", welches durch unsere Gesellschaft reproducirt worden ist
(vergl.: „Mitth. d. Ges. f. verf. Kunst", Jahrg. V, 1877, Sp. 52). Auch berührte der Künstler wiederum
jene Seite, die er 1873 so kräftig angeschlagen, und schuf 1876 in der nachträglich für die Berliner
National-Galerie erworbenen „Rückkehr der Sieger" ein würdiges Seitenstück zu dem „letzten Auf-
gebot", welches zwar in geringerem Masse von historischem Geist erfüllt ist, aber dafür durch den hellen
Siegesjubel, der aus den Gesichtern aller Figuren in erstaunlichem Nuancenreichthum hervorbricht,
unwiderstehlich hinreisst. Dieser Stoff zeitigte in Defregger den Gedanken, dem heimatlichen Helden
des Tiroler Befreiungskampfes ein würdiges Erinnerungsbild zu widmen, und er schritt mit dem
gewohnten Ernste und Eifer an dessen Ausführung. Erst malte er eine Reihe von Studienköpfen und
machte sich insbesondere mit dem Kopfe Andreas Hofer 's vollkommen vertraut; dann unternahm er,
um den Schauplatz seiner Darsteilung kennen zu lernen, eine Reise nach Mantua, welche er bis Rom
ausdehnte. Nach der Heimkehr entwarf er das Bild, die Ausführung desselben verzögerte sich jedoch
durch fortwährende Bestellungen von Genrebildern, die der Künstler nicht gut von sich weisen konnte.
Einige derselben, die er schuf während der Heldentod Andreas Hofer's seinen Geist beschäftigte, gehören
übrigens zu seinen gelungensten Arbeiten; so das „Tischgebet," welches auf der Pariser Weltausstellung
1878 allgemeinen Anklang fand, die von köstlichem Humor erfüllte „Brautwerbung" und das „Faust-
schieben." Erst zur Berliner Ausstellung 1878 wurde „Andreas Hofer's Heldentod" fertig und erregte
nicht nur daselbst, sondern auch auf einer Rundreise durch die Kunststädte Deutschland's und Österreich's
grosses Aufteilen. Aus dem Leben Hoter's hat Defregger später, 1879, in Folge eines ehrenden Auftrages
der kaiserlichen Familie, das zu einem Festoeschenke oeleo-entlich der silbernen Hochzeit Ihrer
Majestäten des Kaisers und der Kaiserin von Österreich bestimmte Bild gemalt, welches die Überreichung
der Geschenke des Kaisers Franz an Andreas Hoser in der Burg zu Innsbruck darstellt. Vor Kurzem
1 Vgl. Friedrich Picht: ..Deutsche Künstler des 19 Jahrhunderts," Nordlingen, C. H. Beck, 1879, II Reihe, S 38
 
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