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denn Kärnthen gehört zu jenen österreichischen Ländern, welche kirchlich und politisch einen Theil
des Deutschen Reiches bildeten. Die Kunstdenkmäler Kärnthens sprechen die deutsche Kunstsprache
und bezeugen in Stein und Farbe den innigen Zusammenhang Kärnthens mit dem Deutschen Reiche.
Die im Auftrage der Central-Commission ausgeführten Aquarelle und Pausen nach kärnthnerischen
Fresken sind im Österreichischen Museum in Wien zur Ausstellung gekommen, so dass die Möglichkeit
geboten wurde, die Ausnahmen genauer zu studiren. Der Metnitz'sche „Todtentanz" ist bereits durch
Dr. Friedrich Lippmann in den Mittheilungen der Central-Commission besprochen worden. Das
wichtigste der von der Central-Commisfion aufgenommenen Frescobilder ist aber „Das jüngste Gericht"
in Millstadt von einem unbekannten Meister aus den ersten Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts.
Man hatte wohl schon früher1 durch T>r.A.Ilg Kenntniss von dem grossen Frescogemälde, welches
sich an der Facade der Kirche zu Millstadt * befindet, aber erst durch die Aufnahme der Central-
Commission erhielten wir eine recht klare Vorstellung von der Bedeutung des Künstlers, welcher diese
Gemälde ausgeführt hat. Die Aufnahmen wurden von dem Wiener Künstler Max Pirner, einem Schüler
des Profesiors Mathias Trenkwald, in ganz vortrefflicher Weise durchgeführt. Sie bestehen aus einer
in Aquarell ausgeführten Gesammtansicht des Frescobildes, 70 Centimeter breit und 48 Centimeter
hoch, so dass man den vollen Eindruck der Gesammtwirkung des Bildes erhält; ausserdem liegen zwei
Köpfe in Aquarell und zwanzig Pausen in Originalgrösse vor, so dass man in der Lage ist, auch die
Details des Frescobildes in voller Deutlichkeit beurtheilen zu können.
Man kann ohne Übertreibung' tagen, dass durch das Bekanntwerden dieses Frescobildes ein
neuer Meister der deutschen Renaisfance in die Kunstgeschichte eintritt. Diese Darstellung des jüngsten
Gerichtes zeigt einen Meister, der die italienischen Kunstweisen in sich aufgenommen hat und es steht
für uns^-ausser Zweifel, dass derselbe Raffael, speciell die Fresken in S. Severo zu Perugia und die
Disputa im Vatican gesehen und Anregungen aller Art aus Italien empfangen hat. Wir möchten damit
nicht einen Zweifel hinsichtlich des ursprünglichen Talentes und der Gestaltungskraft des Künstlers
aussprechen, sondern nur die Richtung und den Bildungsgang desselben charakterisiren. Denn es liegt
in dem Werke so viel selbständiee Gestaltungskraft, dass es ein grosses Unrecht wäre, den Künstler in
die Reihe der blossen Nachahmer zu stellen. Wie bei allen Künstlern dieser Zeit paart sich im Meister
des Millstädter Frescogemäldes ein gesunder Realismus mit idealem Streben. Das Bild ist, wie unsere
nach einer Zeichnung von Max Pirner angefertigte zinkographische Reproduktion erkennen lässt,
ausserordentlich klar componirt. Die obere Hälfte gehört dem Himmel an. Aul einem Kreis von
Wolken und einem Regenbogen thront Christus, zu seinen Füssen die Weltkugel, rechts Maria und
links Johannes der Täufer. Der Oberkörper von Christus ist nackt und weist auf der rechten Seite das
Wundmal auf; der Unterkörper ist mit einem rothen Mantel bekleidet. Zur rechten und linken Seite
Christi thronen die Apostel, wie es in S. Severo der Fall ist; auf der rechten Seite erscheint gewisser-
massen als Chorführer Paulus mit dem Schwerte, auf der linken Seite Petrus und Johannes. In den
Zwischenräumen der genannten Gruppen werden das Kreuz und die Säule als Siegeszeichen von
Engeln aufgerichtet. Unterhalb der Weltkugel ist eine Gruppe von reizenden Engeln mit den Posaunen
des jüngsten Gerichtes. Im Wolkenkreise unterhalb Maria ist eine Gruppe von Engelchen mit auf-
geschlagenem Buche und unterhalb des Johannes eine Gruppe von Teufelchen, welche eine aufgerollte
Bulle in Händen halten. Die untere Hälfte des Bildes stellt das jüngste Gericht vor. Auf der rechten
Seite ist die Pforte des himmlischen Jerusalem geöffnet; Petrus steht an derselben als Pförtner;

1 Siehe „Mittheilungen der Central-Commission," Neue Folge, Jahrg. V., S. XXXVIII.
- Über den Bau und die Geschichte der Millstädter Kirche slehe G. v. Ankershosen: „Kärnthens ältere kirchliche Denkmalbauten," in
dem Jahrbuche der Central-Commission, 4. Bd.
 
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