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im feierlichen Zuge bewegen sich die Seligen, darunter der Pabst, Bischöfe, Kaiser Maximilian nebst seiner
Gemalin und Andere. Auf der entgegengesetzten Seite ist der Höllenrachen geöffnet; ein gekröntes
Haupt, einen Ritter, ein nacktes Weib, einen Wucherer sieht man dargestellt und in weiterer Ferne
die Burg des Höllenfürsten. Zwischen diesen beiden Hauptgruppen der Seligen und Verdammten
öffnet sich eine weite Ebene mit ssüchtig gezeichneten Scenen der Auferstehung.
Die feierliche Ruhe der Seligen auf der einen, die dramatische Bewegung der Verdammten auf
der anderen Seite zeigen den denkenden Künstler, der poetische Stimmungen wohl abzuwägen, die
Kraft hatte. Wir haben einen Meister vor uns, der frei ist von den Überladungen und Härten, welche
bei manchen deutschen Künstlern früherer Zeit vorkommen. Auch die Zeichnung des Nackten und des
Gewandes ist frei von jenen Kleinlichkeiten und jener Formgebung, durch welche man an Holzschnitz-
figuren erinnert wird. Manche Einzelheiten; der deutsche Typus der blonden Maria, der jugendliche
Johannes mit dem Kelch und der Schlange, die Engelsköpfchen in voller Lieblichkeit und Lebendigkeit,
lassen erkennen, dass der Künstler das Porträt beherrscht, sowie auch die reale Welt genau kennt und
aufzufassen versteht. In der Reihe der Seligen treten viele charakteristische Porträtstudien hervor; ganz
besonders muss die Familie des Donators erwähnt werden, welche im Zuge der Seligen in bescheidener
und zweckmässiger Weise angebracht ist. Der Donator ist, wie die ganze Familie, in betender Stellung
vorgesührt, hinter ihm sechs Kinder mit der ersten Frau und hinter derselben wieder drei Kinder mit
der zweiten Frau, die den Rosenkranz in der Hand hält. Die ganze Familie trägt deutsche Kleidung
der damaligen Zeit, wie sie Frauen aus dem bürgerlichen und adeligen Patriciate beim Kirchgang zu
tragen pssegten. Das Wappen in der Nähe des Donators ist leider nicht vollständig deutlich, so dass
es keinen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Geschlechtes gibt, dem derselbe angehört hat.
Schliesslich dürfen wir nicht vergesfen, dass sich unter den Gruppen der Engel ein Spruchband mit einer
Inschrift hinzieht, woraus nur einige deutsche Worte vollkommen leserlich sind, und zwar die Worte:
Kombt her Ir . . . gebenedeytene . . . kumbt für ... — Als Zug der realistischen Darstellungsweise
sei erwähnt, dass die Weltkugel gleich einer Glaskugel, mit zwei sich kreuzenden Metallreifen über-
spannt, abgebildet ist, wie dies bei manchen deutschen und niederländischen Meistern vorkommt.
Vielleicht gelingt es in der Folge, die \\ irksamkeit des Künstlers, welchem dieses bedeutende
Gemälde seinen Ursprung verdankt, weiter zu verfolgen, und seinen Namen kennen zu lernen. Auf einer
Bandrolle zur Seite des Donators ist wenig" leserlich und verstümmelt, ein „ . . . . Augustinus lacit"
herauszubringen. Da aber diese Schrift voll Unklarheit ist, legen wir auf den Namen kein besonderes
Gewicht; desto grösseres auf das Werk selbst. Nicht ohne Grund weist Dr. A. Ilg auf die Ähnlichkeit
der Fresken in Faack hin; vielleicht finden sich noch anderwärts Spuren dieses Künstlers. Dass derselbe
sich eine umfassende Kunstbildung erworben hatte, liegt klar zu Tage. Das Wanderleben der damaligen
Künstler hat wesentlich dazu beigetragen, ihren Horizont zu erweitern; ihr Gesichtskreis war nicht local
und nicht provinciell beengt. Durch die meisten Gemälde, die sich an der Grenzseheide der deutschen
Kunlt, in Kärnthen, Tirol und Steiermark befinden, geht ein gemeinsamer Zug, welcher den Einfluss
des benachbarten Italiens erkennen lässt. In der Frescotechnik war unser Künstler vollständig zu Hause
und es ist desshalb umsomehr bedauerlich, dass das Gemälde in Millstadt bereits vielfach gelitten hat.
Insbesondere geht durch den Kopf der Maria ein grosser Mauerriss hindurch. Jedenfalls hat die Central-
Commission sehr gut gethan, diesem Bilde eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken und unsere
Gesellschaft hat durch die Veranstaltung der nebenstehenden Reprodu£tion desselben der nach dem
Gegenstande der Darstellung wie nach der Art der Wiedergabe so mannigfaltigen Reihe ihrer
Publicationen ein sicherlich nicht uninteresfantes Blatt eingefügt.
Wien. R. von Eitelberger.
 
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