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kann man es kaum zuschreiben; viel näher wurde es liegen, an einen Künstler von Friaul zu denken, weil dieselben
in ihren Bildern, ich mochte sagen, italienische und germanische Elemente vermischt haben. Aus meinen Studien
über Friauler Künstler, welche ich in San Daniele und Cividalc sowic in Venedig vor mehreren Jahren vorgenommen
habe, ist mir aber nicht ein Bild erinnerlich, das mit dem Mcistcr des Grazer Passionsbildes in Verbindung zu bringen
wäre. Dasselbe zeigt in seinem Charakter einen so vorwiegend paduanischen Einfluss, dass ich gar nicht umhin
kann, dasselbe einem deutsehen Künstler zuzuschreiben, der zu Padua seine Studien gemacht hat. Vor Allem scheint
auf ihn jenes grosse Wandgemälde, welches sich in der Capelle San Giorgio in Padua befindet und dem Jacopo Avanzi
zugeschrieben wird, den grössten Einfluss geübt zu haben, so zwar, class er nicht bloss die Inspiration von dem
genannten Bilde empfangen, sondern einen Theil dessclbcn auf das Grazer Bild in etwas freierer Form übertragen
hat. Es ist nämlich die Gruppe der vier Frauen vollständig in das Grazer Dombild aufgenommen, und zwar mit sehr
geringen Modificationen. Auch die Art und Weise, wie die Reiter zu Pferde gruppirt sind, erscheint ganz so wie in
Padua, desgleichen die Stellung der Schächerkreuze zu dem Krcuzesstamm Christi. Nur entwickelt der Künstler des
Grazer Dombildes viel mehr Schönheitssinn und eine bedeutend grössere Sicherheit in der Behandlung des Nackten.
Jedenfalls ist der Meister des Grazer Dombildes ein viel grosscr angelegter und feinsinnigerer Künstler, als der
Urheber des Wandgemäldes von San Giorgio in Padua.
In meinem Auflatze über das Freskogemälde „Das jüngste Gericht" zu Millstadt in Kärnthen in diesem Bande
der „Graphischen Künste" (S. 40) habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass unter den Künstlern, welche der sud-
deutsehen Schule angehören, speciell bei den Tirolern und Kärnthnern, der Einfluss der italienischen Kunstschulen
in hohem Grade sich bemerkbar macht. Die Wechselwirkung zwischen italienischen und deutsehen Kunstschulen in
Oberitalien tritt uns in der venezianischen und paduanischen Schule am deutlichsten entgegen. Piaben ja doch die
Bilder von Andrea Mantegna, Crivelli, Vivarini und Benedetto Montagna und vieler anderer Meister der ober-
italienischen Kunstschulen einen beinahe ausgesprochenen germanischen Zug an sich. Wie zahlreich sich die deutsehen
Künstler in Padua eingefunden haben, geht aus einem Codex der „Fraglia" der Maler in der Schule des Squarcione,
welcher in den „Scritti dArti" P. Selvaticds (p. 34) abgedruckt ist, hervor, wo mehrere deutsehe Künstler angeführt
werden: Nicolaus Theutonicus, diseipulus magist. Franzischo (Squarcione) pistor de S.Malgareta (tra l'anno 1442 e
144.5); Martin da Cologna d'Alemagna, adi 17. dec. 1445; Magistro Rigo todescho intrato in te la fraja per magistro;
Juliane todescho intrado in te la fraja per magistro, Juane Evangelißa depentore filio de M. Rigo intrö in te la fraja
p. m. sotto Massaria de m. Piero da Milan; Magistro Jeronimus theutonicus an. 1462, 22 genn. Würde uns eine
„Fraglia" aus der Schule Mantegna's "erhalten sein, so kämen uns zweifellos auch viele deutsehe Künstlernamen zu
Gesicht. In der kurzen Zeit von 1441 —1462 treten in der Kunstschule des Squarcione nicht weniger als fünf deutsehe
Künstler auf. Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn das Altarbild des Grazes Domes einen deutsehen Meister
zum Schöpfer hat, der seine künstlerischen Inspirationen aus der Paduaner Kunstschule empfing; haben ja auch
heute noch die Künstler von Tirol und Steiermark eine grosse Neigung, nach Oberitalien zu gehen.
Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob der Meister des Grazer Altarbildes nicht vielleicht derselbe sei,
welcher das erwähnte Millstadter Fresco gemalt hat. Diese Frage muss wohl verneint werden, denn der Meister des
Millstadter Bildes hat seine Wanderung in Italien bis Rom ausgedehnt: in dem Grazer Dombild aber ist keine Spur von
Einssuss der umbrischen Schule zu finden. Wohl ist es möglich, dass wenn einmal die Überreste der Frescomalereien,
die sich noch in Kärnthen und Tirol vorfinden, einer grösseren Aufmerksamkeit gewürdigt werden, man vielleicht
auf Bilder stossen würde, welche auf den Meister des Grazer Dombildes hinweisen. Vorläufig kann ich nur das aus-
sprechen, was unzweifelhaft ist: dass ein Künstler von ganz ungewöhnlicher Begabung, mit einem für einen deutsehen
Künstler jener Zeit ausserordentlich entwickelten Schönheitssinn das Bild gemalt hat, und dass in ihm paduanische
Einssüsse deutlich erkennbar sind. Das Bild befindet sich in der alten Sakristei des Domes, dem sogenannten Hof-
oratorium. Durch das Grazer Passionsbild tritt dessen Meister zum ersten Male in die Kunstgeschichte ein; er sei der
Aufmerksamkeit der Kunstforscher und Geschichtsschreiber, speciell jener empfohlen, die sich mit archivalischen
Studien über die Zeit Friedrich'S III. beschäftigen.

W i e n.

R. von Eitelberger.
 
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