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Am Ausgange des XVI. Jahrhunderts, am 22. März 1599, wurde Antonius van Dijck im Herzen der Stadt
Antwerpen, in einem nur wenige Schritte vom Rathhause entfernten Hause, das „zum Barentanz" benannt war,
geboren. Neuere Forschungen haben ergeben, dass schon sein Grossvater, der ebenfalls Antonius hiess, in
Antwerpen ansassig war und Handelsgeschäfte trieb; sein Vater Frans brachte es in dem gleichen Stande zur
Wohlhabenheit und bekleidete die nicht unerhebliche Ehrenstelle eines Vorstehers der Kapelle des Allerheiligsten
Sacramentes in der Cathedrale zu Antwerpen. Um das Jahr 1560 geboren, verheiratete sseh Frans van Dijck 1587
zum ersten Male und nahm, nach kurzem Witwenstande, am 6. Februar 1590 die Maria Cuypers zur Frau, welche
ihn mit zwölf Kindern beschenkte, deren siebentes unser Künstler war. Der Vater zeichnete sich durch grosse
Frömmigkeit aus. Fast alle Töchter wurden Beguinen und eine trat förmlich in ein Kloster ein; auch ein jüngerer
Bruder Theodor widmete sich dem geistlichen Stande, trat in den Prämonstratenser-Orden ein und starb als Pfarrer
in Minderhout. Die Mutter scheint viel Kunstsinn besessen zu haben; sie brachte ein Ciavier in die Ehe und erfreute
sseh eines grossen Rufes als künstlerisch begabte Stickerin. Von der Mutter scheint der berühmte Sohn seine
künstlerischen Anlagen überkommen zu haben, namentlich jene fast weibliche Grazie und Zartheit, welche ihn
charakterisirt. Dass der Vater auch nach dem Tode der 1607 verstorbenen Gattin den künstlerischen Neigungen
des Sohnes nicht entgegentrat, begreift sich leicht, da die Malerei damals als ein gottgefälliger Beruf angesehen
war und die zahlreichen Mönche aller Orden, in deren Gesellschast sich Frans van Dijck bewegte, sicherlich gegen
solch' eine Berufswahl nichts einzuwenden hatten. Die Forschungen van den Branden 's haben kürzlich festgestellt,
dass der kleine Antonius im Jahre 1610 regelrecht zu dem Maler Hendrik van Baien in die Lehre gegeben wurde,
einem ehemaligen Mitschüler von Rubens im Atelier des Adam van Noort, der ebenfalls viele Jahre in Italien
zugebracht hatte, ein glühender Anhänger der alten Meister war und desfen Bildern sich vvenigstens das Verdienst
richtiger Zeichnung und zarter Farbengebung nicht absprechen lasst. Zwei Jahre darauf finden wir den dreizehn-
jährigen Knaben schon im Atelier von Rubens, obgleich dieser Meister bald nach seiner im Herbste 1608 erfolgten
Heimkehr aus Italien so überlaufen war, dass er im Mai 1611 dem Stecher de Bie schrieb, er habe bereits mehr als
hundert Schüler zurückweisen mussen, zum grossen Missvergnügen seiner Verwandten und Freunde. Es steht nicht
fest, ob der kleine Antonius eigentlicher Schüler von Rubens war, oder einer jener zahlreichen Gehilfen, deren sich
der Meister bei Ausführung seiner Bilder zu bedienen pflegte; jedenfalls stand seine Staffelei im ungeheuren Atelier
von Rubens. So wurde er frühzeitig in die ganze Art und Weise der künstlerischen Produktion des Hauptes der
vlämischen Schule und insbesondere in dessen Farbengebung eingeweiht. Auch standen ihm fortwährend die herr-
lichen Kunstschätze vor Augen, die Rubens aus Italien mitgebracht hatte, namentlich die Bilder der venetianischen
Coloristen. Eine nicht beglaubigte Tradition besagt, dass van Dijck auf einem vom Meister selbst gemalten Bilde
einen durchUnachtsamkeit einesKameraden weggewischten, frischgemaltenKopf einst derart restaurirte, AzkRubens
die fremde Hand gar nicht bemerkt, oder, wie eine andere Erzählung lautet, zwar erkannt, aber voll Erstaunen
dem jungen van Dijck grosse Lobsprüche wegen seines gelungenen Wagestückes gespendet habe. Sicher ist nur,
dass Rubens für diesen jungen Gehilfen grosse Vorliebe besass und sein Talent stets besonders hoch stellte.
Anfangs 1618 wurde van Dijck in die Sanst Lucas-Gilde aufgenommen und ward nun als selbstständiger Meister
anerkannt. Man erblickte in ihm schon damals den bedeutendsten Schüler von Rubens. So wurde in einem 1620
zwischen dem letzteren und dem Superior des Professhauses der Jesuiten in Antwerpen abgeschlosfenen Vertrage
ausdrücklich bestimmt, dass Rubens 39 Compositionen und Skizzen für die Jesuitenkirche entwerfen und durch
van Dijck und andere Schüler ausführen lassen solle. Nur van Dijck wird genannt, obgleich damals Künstler wie
Jordaens, Quellyn, van Thulden bei Rubens arbeiteten. Es handelte sich um jene ungeheuren Darstellungen aus der
Geschichte des Jesuiten-Ordens, welche 1718 bei dem Brande der Jesuitenkirche in Antwerpen zu Grunde gingen,
bis auf vier Bilder, von denen heutzutage drei als Zierden der kaiserlichen Gemälde-Galerie in Wien gelten Bald
drang van Dijck's Ruf über die Grenzen seines Vaterlandes. In seinem vorzüglichen Werke über diesen Künstler
citirt Carpenter den Bericht eines ungenannten Agenten an den berühmten englischen Kunstfreund Thomas
Howard, Graf von Arundel, der überall Verbindungen unterhielt, um seine kostbarenKunstsammlungen zu bereichern,
und bedeutende Künstler nach London zu ziehen liebte, worin es heisst, dass der „junge Mensch van Dijck, einer
der wohlhabendsten Familien der Stadt Antwerpen angehörig, bei Rubens wohne und dass seine Arbeiten nicht
viel weniger geschätzt werden, als die seines Meisters." Aus einem an Sir Dudley Carleton, den englischen Gesandten
im Haag gerichteten Briefe eines englischen Agenten in Antwerpen muss geschlossen werden, dass van Dijck im
Herbst 1620 nach England gegangen war. Dort wurde er von König JACOB I. sehr gut aufgenommen, erhielt die
sür die damalige Zeit bedeutende Gratification von hundert Pfund und scheint auf einem Bildnisse des Königs in
 
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