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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 11.1888

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Heft IV
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Bode, Wilhelm: Die Fürstlich Liechtenstein'sche Galerie in Wien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3329#0112
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II

land, wo zur Zeit Kaiser Rudolfs IL die Hofburgen in Wien und Prag, die fürstlichen Schlösser von
München, Heidelberg, Wittenberg, Brandenburg, aber auch mehrere Patrizicrhäuser von Nürnberg
und Augsburg reiche und mannigfaltige Schätze von Kunstwerken aufzuweisen hatten, unter denen
sich eine Anzahl schon als eigentliche Sammlungen bezeichnen lasfen. Die Leiden des dreissig-
jährigen Krieges und seine Folgen machten jedes Sammeln für eine Reihe von Jahren fast unmöglich
und bereiteten jenen Sammlungen reicher Kaufherren ein rasches Ende. Aber die Beziehungen
verschiedener fürstlicher Familien zu den Niederlanden, zu den spanischen Niederlanden wie zu den
holländischen Staaten, brachten bald neue und hervorragende Schätze, namentlich an Gemälden,
in die fürstlichen Sammlungen Deutschlands. Ende des ssebenzehnten Jahrhunderts war an fast allen
deutsehen Höfen, wo die Mittel beschafft werden konnten, der Eifer und die Freude in der Ver-
mehrung ihrer »Kunstkammern« und Gemäldegalerien gemeinsam. Damals wurde auch der Grund
gelegt zu der fürstlich Liechtenstein'schen Gemäldegalerie, die heute unter den deutsehen Privat-
galerien einzig dasteht und nur von wenigen öffentlichen Gemäldesammlungen an Zahl und Werth
der Bilder übertroffen wird.
Der neue Katalog der Galeric nennt den Fürsten Carl Eusebius als den »ersten Begründer« der
Sammlung, die auf den verschiedenen Besstzungen des Fürsten vertheilt wurde. Doch soll schon der
Grossvater dieses Fürsten, Graf Hartmann Liechtenstein, Ende des sechzehnten Jahrhunderts unter
zahlreichen Kunstwerken der verschiedensten Art auch Gemälde gesammelt haben. In ähnlicher Weise
war sein Nachfolger, Fürst Hans Adam, um den Ankauf von Gemälden bemüht. Die Erwerbungen
aber, welchen die Sammlung ihren Weltruf verdankt, rühren indesfen meist erst vom Fürsten Wenzel
her. Sein Bild sleht daher mit Recht am Eingange dieser Publication, welche bestimmt ist, in Bild
und Wort den Freunden dieser herrlichen Sammlung eine Erinnerung zu bieten an den Genuss,
welche ihnen im Palais am Alsergrunde bereitet wurde, und neue Freunde derselben zu gewinnen.
Auf Fürst Wenzel gehen die Ankäufe fast sämmtlicher Gemälde von Rubens und van Dyck zurück,
die den Glanzpunkt der Galerie ausmachen; darunter wahrscheinlich auch die berühmte Folge aus
dem Leben des Decius Mus. Ihm verdankt die Sammlung solche Meisterwerke wie das grosse
Bildniss des Willem Heythuysen von Frans Hals, das Selbstbildniss von Rembrandt, das kleine
Frauenbild von Leonardo und die meisten Bilder der niederländischen Kleinmeister.
Fürst Wenzel hat auch das Verdienst, dass er die zu einer beträchtlichen Zahl von Bildern
angewachsene Sammlung von den verschiedenen Besltzungen nach Wien bringen und 1767 einen
Katalog derselben in italienischer Sprache durch Vincenz Fanti abfassen lies's. Die Überführung dieser
Galerie in die Räume des prächtigen Barockpalastes im Alsergrund erfolgte erst zu Anfang unseres
Jahrhunderts durch seinen Nachfolger Johann, welcher zwei Stockwerke dieses Baues mit den
Bildern anfüllen liess, um dem Publicum den ungestörten Genuss derselben zu gewähren. Was der
Fürst in dem Bestreben, der Galerie den Charakter einer alle Richtungen vertretenden Bildersamm-
lung zu verleihen, an neuen Erwerbungen noch hinzufügte, ist leider mit wenigen Ausnahmen der
alten Sammlung nicht würdig. In dem gleichen Streben ist erst der regierende Fürst mit Erfolg thätig
gewesen. Eine ganze Reihe von hervorragenden Meistern, namentlich der älteren italienischen und
der holländischen Schulen, welche der Galerie fehlten, sind Dank den Erwerbungen der letzten acht-
zehn Jahre in guten und vortrefflichen Werken in der Sammlung vertreten.
Das herrliche Palais, welches jetzt die Galerie beherbergt, war keineswegs ursprünglich für
eine Bildersammlung bestimmt. Desshalb hat auch ein grosser Theil der Bilder im zweiten Stock-
werk nur eine ungenügende Unterkunft finden können, da die niedrigen, tiefen Räume durch die
kleinen, tiefliegenden Fenster unzureichendes Licht erhalten.


 
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