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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 11.1888

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Heft IV
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Recension: Die Gemäldegalerie der königlichen Museen in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3329#0131
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Wie die Wahl der künst-
lerischen Reproduötionsweise, der
Vorzug, welcher dem Stiche und
der Radirung gegeben wurde,
unsere Sympathien besitzt, ebenso
wird auch ein weiterer Vorgang
der Museumsverwaltung allge-
meine Zustimmung finden. An der
Wiedergabe der Gemälde bethei-
ligen sseh zahlreiche Stecher, die
Radirungen wechseln mit Grab-
stichelblättern ab. Vertraut man
so ausgedehnte Unternehmungen
einem einzigen Künsller an, so
kommt leicht in die Reproduktion
eine gewisfe Einförmigkeit. Ge-
rade technisch hervorragenden
Stechern kann man nicht zu-
muthen, dass sie ihre eigentüm-
lichen Vorzüge, wenn diese mit
der Treue der Wiedergabe in
Streit gerathen, rasch opfern;
man kann von ihnen nicht ver-
langen, dass sie sich gleichmässig
in die verschiedenen Stilarten hin-
einarbeiten. Und auch in Bezug
auf die Radirung wird man gut
thun, ihr nicht alle erdenklichen
Aufgaben aufzubürden. Die ge-
schichtliche Entwicklung der
Radirung lehrt uns ihre natür-
lichen Grenzen kennen. Das male-


rocchio, Maria mit dem Kinde.
( Thonrelief.)

rische Element erscheint als ihre
wahre Heimat; hier wirkt sie un-
übertrefslich. Wo es sich aber um
die Wiedergabe reiner Linien-
schönheit, feiner plastischer Run-
dung handelt, muss die Radirung
ihrer Natur gleichsam Zwang an-
thun, erzielt sie mühselig eine Wir-
kung, welche das Grabstichelblatt
leicht und sicher erreicht. Altere
italienische Gemälde zum Beispiel
empfangen durch die Radirung in
der Regel einen fremdartigen Zug,
einen farbigeren und kräftigeren
Charakter als sie in Wahrheit
besitzen.
Über die Berliner Gemälde-
galerie herrschte in früheren Zeiten
ganz allgemein die Meinung, dass
sie in hohem Grade belehre, aber
nur sehr wenig Genuss biete. Die
wissensehaftliche Bedeutung, so
sagte man, überrage den künst-
lerischenWerth derselben. Das ist
jetzt anders geworden. Die neuen
Erwerbungen, wie Fiesole's Altar,
die Porträts von Velasquez, Se-
bastiano del Piombo, Dürer, die
Rubens- undRembrandtbilder, die
Landschaft von Koninck u. s. w.
haben der Berliner Galerie glän-
zende Kunstproben zugeführt und

bieten dem Betrachter eine wahre Augenweide. Auf die Bearbeitung des Textes in dem neuen Galeriewerk, so
möchte man glauben, hat die hergebrachte Meinung aber doch noch einigen Einfluss geübt. Ein so umfallender,
gründlich gelehrter und in die strengste wissensehaftliche Form gekleideter Text hat wohl noch niemals die Pracht-
ausgabe eines Galeriewerkes begleitet. Auf 28 Folioseiten in Doppelcolumnen bietet uns in der ersten Lieferung
Julius Meyer die Geschichte der Florentiner Malerei im fünfzehnten Jahrhunderte und hat auch dann noch
nicht dieses eine Capitel zu Ende gebracht. Die in Berlin bewahrten Altflorentiner Gemälde dienen ihm nur neben
vielen anderen Werken als Beispiele, um an ihnen den Entwicklungsgang der betresfenden Meister klarzulegen.
Wie alles, was wir der Feder Julius Meyer's verdanken, ist auch dieser Galerietext in hohem Grade anregend. Die
feinsinnige Natur des Verfassers, seine reife philosophische Bildung sprechen aus jeder Zeile. Es sleht nur aus
äusseren Gründen zu besolgen, dass nicht viele Kunstfreunde gerade bei dem Durchblättern eines Prachtwerkes
die innere Sammlung finden werden, um ihre kunsthistorischen Kenntnisfe zu vermehren, dass der Leserkreis nicht
den Umfang gewinnen wird, auf welchen der gediegene Inhalt des Textes gerechten Anspruch machen darf.
Julius Meyer behandelt vornehmlich zwei Florentiner Maler des fünfzehnten Jahrhunderts: Fra Filippo Lippi,
der in so manchen Punkten das Gegenbild des frommen Fra Angelico da Fiesole darstellt und den Vorläufer des
classischen Renaissancestiles, Andrea Verrocchio. Für die Schilderung der letzteren waren die Aufsätze grundlegend,
welche Wilhelm Bode in den Jahrbüchern der königlich preussischen Kunstsammlungen und sodann in erweiterter
Form in seinen „Studien zur Geschichte der italienischen Plastik" veröffentlicht hat. Bode's Buch ist verhältnissmässig
wenig besprochen worden; es hat aber trotzdem, wie alle wirklich guten Bücher, eine weite Verbreitung gefunden
und grosse Wirkung gethan. Theils waren die Resultate seiner Forschungen schon früher in den offiziellen Katalog
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