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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Bode, Wilhelm: Antoon van Dyck in der Liechtenstein-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0056
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Der Reiter. Ölskizzc von van Dyck.
(Galerie Licchtenßein.)

40
Dürer und seinen Zeitgenossen) als der Gelehrte über der Arbeit
in seinem wohnlichen Heim, sondern als ein Wüstenheiliger von
athletischcn Formen, braun gebrannt von der Sonne Afrikas,
abgehärmt und unter schweren Bussübungen ganz von der Welt
abgewandt. In der Galerie zu Dresden hängt das eine dieser Bilder,
unmittelbar neben einem Bilde seines Lehrers mit dem gleichen
Motiv; ein zweites ebenso umfangreiches Hieronymusbild besitzt
die Galerie in Stockholm, das sseh, wie das Dresdener Bild, früher
in Rubens' Sammlung befand. Dieses letztere hat in seinem
kühleren Tone und einer wenigstens theilweise noch sorgfältigen
Behandlung noch mehr Yerwandtschaft mit Rubens, insbesondere
gerade mit desfen ebengenanntem Hieronymusbilde. In dem Dres-
dener Bilde ist eine so eigenthümlich wilde Begeiserung, die mit
der wettergebräunten derben Gestalt, mit der wilden landschaft-
lichen Umgebung so zusammenstimmt und in dem leuchtend
warmen, tiefen Ton und dem erstaunlich kecken Auftrage der
Farben einen so entsprechenden Ausdruck findet, dass daneben
der trefflich gezeichnete und fein empfundene Hieronymus von
Rubens fast kalt und nüchtern erscheint. Diesem Bilde in Färbung
und Auffassung verwandt ist die Halbfigur des Heiligen in der
Galerie zu Madrid. Das Hieronymusbild der Liechtenstein-Galerie ist diesem Bilde, ist selbst dem
Stockholmer Gemälde nicht ganz gewachsen; aber zur Charakteristik des Künstlers in dieser ersten
Zeit gibt es doch interessante Auffchlüsse. In seinem rücksichtslosen Realismus geht van Dyck hier so
weit, dass er zu seinen Heiligen ohne Scrupel ein buckliges Modell wählt, einen hässlichen Alten mit
mageren Armen und dünnen Lenden, die von einem Mantel nur theilweise verhüllt werden. Die
leuchtend rothe Farbe dieses Mantels contrastirt malerisch mit dem feinen Blau des Himmels, auf
dem sseh der Kopf des Heiligen mit seinem strasfen grauen Haar wirkungsvoll abhebt. Die Behandlung
ist von ausserordentlicher Breite; die Untermalung ist nur theilweise mit körnig aufgesetzter Farbe
gedeckt. Manche Theile, wie der schlafende Löwe zu den Füssen des Heiligen, sind geradezu flüchtig
und osfenbar aus dem Kopfe gemalt.
In einem zweiten Gemälde der Sammlung mit religiösem Vorwurf, in der »Maria mit dem
Kinde« (Nr. 67), ist zwar die Hand des Meisters nicht zu erkennen. Das Bild ist eine Werkstatt-
wiederholung oder alte Copie, wie ähnliche in der Galerie in Buckingham Palace, in Hampton Court,
Braunschweig, Blenheim und an anderen Orten vorkommen, die auf ein Original aus dem Anfange
der Dreissiger-Jahre zurückgehen. Dieses befindet sich jetzt in der Galerie zu Dulwich, als Gegen-
stück einer »Caritas«, gleichfalls von der Hand des van Dyck. Da das Bild in einem Zimmer
mit dem Hieronymus hängt, so bietet es Gelegenheit, die ausserordentliche Veränderung kennen
zu lernen, welche mit van Dyck namentlich während seines Aufenthaltes in Italien vorging. Den
ungestümen, leidensehaftlich bewegten Rubens-Schüler, wie er uns in dem Hieronymus und
namentlich in zahlreichen gleichzeitigen Compolitionen mit mehreren Figuren entgegentritt, würden
wir in der akademischen Schönheit dieser gar zu absichtlich posirten Gestalten von Mutter und Kind,
in dem verzückt nach oben gewendeten Blick der Maria, in der fast geleckten Durchführung und
der kühlen Färbung dieses Bildes kaum wiedererkennen. Ein schwärmerisch romantischer Zug,
meist mit einer starken Beimischung von weiblicher Empfindsamkeit und Koketterie, ein äusserliches
 
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