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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Dernjač, Josef: Ein Bild von Jan Miense Molenaer
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0087
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Ein Bild von Jan Miense Molenaer.


in Spielmann hat auf einer Tonne Platz genommen und bläst mit vollen Backen die Clarinette.
Die Töne, welche er seinem Instrumente entlockt, mögen in musikalischer Beziehung nicht
viel besser sein, als der Tanz des jungen Paares, dessen schwerfällige Drehbewegung ebenso-
wohl durch die plumpe Fussbekleidung, als auch durch die »gehobene Stimmung« motivirt
ist. Dass der Tanz von Seite der übrigen Gäste, die vor dem Wirthshause unter den Bäumen
im Mittelgrunde versammelt sind, besondere Beachtung fände, könnte man gerade nicht
ä*as31 behaupten. Sie sind alle, Männer, Frauen und Kinder, Paar um Paar zu sehr mit sleh selbst
beschäftigt, und in Bezug auf den Grad ihrer Heiterkeit nicht mehr allzufern von dem Punkte, auf welchen man
sich nicht mehr mit der Frage behelligt, »ob Alles wohl sich zieme, was geschieht« — wenigstens in den Kreisen,
deren Repräsentanten das Bild uns zeigt, das sich in der jüngst verweigerten Sammlung von Klinkosch befand und
das wir Dank dem Entgegenkommen des Kunsthändlers H. O. Miethke, unseren Lesern in einer flotten Radirung
von A. Kai/er vorzuführen in der Lage sind.
Völlig unproduktiv auf dem Gebiete der Historienmalerei im akademischen Sinne erwies sich die Haarlemer
Schule des Frans Hals als äusserst fruchtbar auf dem Gebiete des Sittengemäldes. Die Dirk Hals, Palamedesz,
Pieter Codde, J. A. Duck beschauten sich die vornehme Gesellschaft und den Soldaten wie er sich vergnügte mit
Wein, Weib und Gesang. Sie schufen das Geselischaftsstück, das Soldatenstück. Neben diesen erhoben sich die
Schilderer des niederen Volkslebens. Wer kennt sie nicht die Adriaen Brouwer, Adriaen und Isaak van Ostade,
Cornelis Bega und Cornelis Dusart? Diesen letzteren, wenn auch nicht den beiden ersteren, völlig ebenbürtig erscheint
der Meister unseres Bildes, Jan Miense Molenaer. Bode hat seinerzeit in seinem Auffatze über »Frans Hals und seine
Schule« die Ansicht aufgestellt und verfochten, dass es zwei Meister dieses Namens gegeben habe. Nach neuen
eingehenden und gründlichen Untersuchungen ging er später in den »Studien zur Geschichte der holländischen
Malerei« (Braunschweig 1883, 199 sf.) von dieser Meinung ab. Bredius in den »Meisterwerken des Ryksmuseums zu
Amsterdam«, S. 105 fs. pflichtet ihm vollständig bei. Jan Miense Molenaer wurde um 1600 zu Haarlem geboren. Was
man sonst an urkundlichen Daten von ihm weiss, ist, dass er sich 1636 zu Heemstede bei Haarlem mit der Malerin
Judith Leyster vermählte, in demselben Jahre nach Amsterdam zog und daselbst in der Gasthuismolensteeg ein Haus
miethete. 1654 zog er wieder nach Haarlem, wo er ein Jahr später ein Haus und hernach in Heemstede ein Besitzthum
kaufte, 1668 ist er wohlbegütert in Haarlem gestorben. Er war ein Schüler des Frans Hals; dass er aber auch von
Dirk Hals nicht unbeeinflusst geblieben ist, zeigen besonders seine früheren Bilder mit ihrem helleren Ton, ihren
verhältnissmässig grösseren Figuren, ihrer breiteren Pinseiführung. Auf die Bilder seiner späteren Zeit hat Ostade
und hat Rembrandt mit seinem geschlossenen Helldunkel eingewirkt. Sie zeigen einen schweren braunen Gesammt-
ton, aus dem nur einzelne Farben, ein lebhaftes Roth oder Blau, gelegentlich hervortreten. Bilder der ersten Epoche
besitzen die Galerien von Braunschweig, Berlin, Kopenhagen und Rotterdam; die Bilder in den beiden letzt-
genannten Sammlungen, sowie eines in der Galerie Liechtenstein, zeigen bereits den Übergang des Meisters von
seiner früheren zur späteren Manier. Dieser gehören einige Bilder im Haag, in Berlin und in Brüssel an. Ausfallend
häufig finden sich solche im Privatbesitz in Schweden. Das Bild, das wir reproduciren, kommt der späteren Epoche
des Meisters nahe.
Molenaer hat seine Bilder nicht immer datirt, auch unser Bild trägt auf dem Steine, der dem Musikanten als
Schemel dient, nur den Namenszug des Künstlers. Zu den datirten gehört sein Hauptbild, die »Familienscene« bei
Freiherrn W. van Loon in Amsterdam vom Jahre 1637 mit etwa vierzig Figuren in ein Viertel Lebensgrösse, Porträts
von Mitgliedern der Familien Loon, Geelvinck u. A. Das Bild zeigt ein schönes Helldunkel, eine kräftige und doch
harmonische Farbe und ist mit vollkommenster Meisterschaft gemalt. Nach Bredius ist es das schönste Familienbild
dieser Art, das die holländische Schule aufzuweisen hat.
Joseph Dernjac.
 
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