Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

DOI Artikel:
Melani, Alfredo: Moderne italienische Genremalerei : zu einem Aquarell von Paolo Bedini
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0107
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

MODERNE ITALIENISCHE
GENREMALEREI.
ZU EINEM AQUARELL VON PAOLO BEDINI.


rii

ristorienmalerei cxistirt heutzutage so gut wie gar nicht mehr in
Litauen. Die wenigen Geschichtsmaler, die es noch gibt, sind
Römer und leben in Rom, wo schon die Umgebung sie auf das
Historische hinweist; in den übrigen Centren italienischen Kunstlebens
haben sie wenige Nachahmer. In Folge dieses entschiedenen Aufhörens
der Historienmalerei ist man in letzter Zeit so weit gegangen zu
behaupten, in Italien sei überhaupt jede grossartige Malerei aus-
gestorben; als ob ein Gemälde, um künstlerische Bedeutung zu besitzen,
nothwendigerweise von historischen Stosfen inspirirt sein musse!
Als die Genremalerei im neuen Italien festeren Fuss fasste, athmeten die Italiener erleichtert auf; sie begannen
stolz auf ihre nationale Erhebung zu sein, sie fühlten sich nicht nur in der Vergangenheit, sondern sie wünschten
auch verstanden und dargestellt zu werden, wie sie heutzutage sind. So rief das politisch neu erstandene Italien
zugleich die Blüthe einer Kunstrichtung hervor, die nicht mehr nach historischen Vorwürfen suchte, sondern die-
selben der Gegenwart entnahm. Zuerst wurde die Genremalerei allerdings nur von solchen Künstlern gepslegt, die
in der Geschichtsmalerei nichts erreichten, oder denen, besser gesagt, der Mutti fehlte, eine grosse Leinwand in sehr
mittelmässiger Art mit Farben zu bedecken, — die Italiener brachten dieser neuen Richtung wenig Sympathie
entgegen. Es half nichts, dass man Teniers und Murillo anführte, dass man darauf hinwies, wie auch die Griechen
Scenen des täglichen Lebens malten. Das italienische Publicum stand der Genremalerei kampfbereit gegenüber und
wollte auf keine Vernunftgründe hören. Als indessen durch die politische Einigung in den Italienern der Wunseh
rege geworden war, sich besser und genauer kennen zu lernen, wurde auch die Kunst naturgemäss darauf hin-
gewiesen, das charakteristisch Locale, das in Italien durch Klima, Typen der Bevölkerung und Reichhaltigkeit der
Costüme ein sehr Verschiedenartiges ist, durch die Malerei zu pslegen und zu betonen. Der Genremalerei wurden
hiermit die Wege geebnet, sie sall sich für alle ablehnende Haltung entsehädigt, die ihre ersten Schritte hemmen
wollte und gewann in jeder Stadt einen eigenartigen und originellen Ausdruck.
Am meisten Interesse brachte man Venedig entgegen, jenem Venedig Canaletto's und Guardi's. Hier wurde
auch besonders viel zur Weiterentwicklung der neuen Malrichtung gethan. Jeder Italiener kennt die Erfolge Giacomo
Favretto's, die gerade desshalb so bedeutend waren, weil sie einem vorhandenen Bedürfniss vollkommen entsprachen.
Nächst Venedig oder eigentlich ebensoviel als Venedig nahm Neapel und seine Localmalerei das allgemeine Interesse
in Anspruch. Leider sank diese Kunst, die anseheinend mit so leichter Mühe Typen und Costüme charakteristisch
wiedergab, und nicht nur bei Italienern, sondern auch Ausländern, vielen Anklang fand, bald zum Handwerk herab.
Was das Aquarell Bedini's angeht, das mich zu obigen Bemerkungen veranlasst hat, so ist es auch zu
jenen Genrebildern zu zählen, die nach wahrer Wiedergabe der Scenen des täglichen Lebens streben. Die junge
elegante Dame, die Bedini gemalt hat und die wir in W. Woernle's zarter Radirung vorlegen, sleht sicher in keinem
Zusammenhang mit 'der Geschichte, falls man nicht etwa die Kleidung historisch nennen will, die indessen mehr
einer Laune des Künstlers zu danken ist. Und zwar handelt es sich nicht um eine persönliche Laune, sondern um
eine recht verbreitete, da man für diese Art von Costümmalerei entsehiedenes Gefallen in Italien hat, ganz
besonders aber in Florenz, wo verschiedene Maler, zum Beispiel Vinea, sich einen grossen Namen und sehr viel
10

*a>

\\
 
Annotationen