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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Bode, Wilhelm: Die holländischen Landschafter in der Schweriner Galerie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0113
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NTER den holländischen Landschaftsmalern ist seit nahezu einem Jahrhundert Jacob van Ruisdael
der anerkannte Meister. In seiner Zeit wenig beachtet — starb er doch in einem Armenhause seiner
Vaterstadt, in das er auf Verwendung der Seele, der er angehörte, aufgenommen wurde! — hat er
erst in der romantischen Anschauung der Natur der Neuzeit das volle Verständniss und allgemeinste
Sympathie finden können. Selbst Meyndert Hobbema, den man jetzt meid neben ihn zu stellen pssegt
und dessen Bilder weit höher als die seines Lehrers und väterlichen Freundes gezahlt werden, steht
unserer modernen Empfindung nicht so nahe als Ruisdael. In malerischer Beziehung und in Naturwahrheit
kommen ihm andere Künstler seiner Zeit gleich oder übertrefsen ihn sogar gelegentlich. Was aber ihm
allein eigen ist und was ihn unserer modernen Naturempfindung so nahe bringt, ist die „Poesie" seiner
Landschaften; jener unbeschreibliche Zauber, den die Natur in ihrer jungfräulichen Einsamkeit auf
unser Gemüth ausübt, jene mannigfachen Stimmungen, welche als Ressexe der Stimmungen in der
Natur in uns hervorgerufen werden. Vor Allem ist es jene eigenthümliche Mischung von Wehmuth
und Erhabenheit, über die wir uns nur schwer Rechnung geben können, welche ihren künstlerischen
Ausdruck bei keinem Meister, Rembrandt ausgenommen, so stark und so ergreifend gefunden hat, wie
bei Jacob Ruisdael.
Ruisdael ist nicht der einzige, ist auch nicht der erste Künstler Hollands, der die „Stimmung" der
Landschaft zu erfassen und wiederzugeben verstanden hat. Der Kreis von Landschaftsmalern, die man
gewöhnlich als Nachfolger Ruisdael's bezeichnet, fast sämmtlich Haarlemer Künstler wie Ruisdael selbst,
hat verschiedene Meister aufzuweisen, die gleichzeitig mit ihm oder selbst vor ihm Ähnliches angestrebt
haben, wenn auch nicht so ausgesprochen und nicht mit der Poesie und Meisterschaft wie gerade
Ruisdael. Dies gilt für bekannte Künstler wie Roelof van Vries und Gillis (Jillis) Rombouts, von
denen datirte Gemälde gleichzeitig und selbst noch ein paar Jahre früher vorkommen als die frühesten
Landschaften Ruisdael's (1646); es gilt aber noch in höherem Masse von zwei weniger bekannten
Landsehaftern Haarlems, von Guilliam Dubois und namentlich von Cornelis Vroom, von denen die
beiden besten Bilder gerade in der Schweriner Galerie sich befinden.
Cornelis Vroom ist wesentlich älter als Jacob Ruisdael; er war schon als Maler thätig, als dieser
erst geboren wurde.1 Schrevelius nennt ihn 1647 m seinem „Harlemias" den elsten Landschaftsmaler seiner
Zeit: Bieter de Molyn, so sagt Schrevelius, sei beinahe so tüchtig wie Cornelis Vroom, der unter Allen,
die am Leben sind, wohl nicht seinesgleichen habe. Dass der Künstler, der bis vor Kurzem fast ver-
gessen war, nur eine sehr beschränkte Zahl von Bildern hinterlassen hat, obgleich er erst 1661, jedenfalls
schon in höherem Alter, starb, kann man vielleicht daraus erklären, dass er nur nebenher und als Lieb-
haber die Kunst ausübte. Jedenfalls war er, wie sein Vater, der Marinemaler Hendrick Vroom, und
seine Brüder, ein sehr wohlhabender Mann; dies beweisen schon die hohen Begräbnisskosten (35 ss.).
Seinen unabhängigen vornehmen Sinn bekundete der Künstler dadurch, dass er 1642 aus der Lucasgilde
austrat, weil ihm das ausgelassene Treiben derselben missfiel.
Cornelis Vroom war den Sammlern früher ausschliesslich aus seinen Zeichnungen bekannt, die
meist einzelne Bäume oder Waldinterieurs zeigen; sie sind aufsallend alterthümlich und meistentheils
manierirt mit der Feder gezeichnet und zum Theil leicht aquarellirt, in der Art des Beresteyn und
anderer gleichzeitiger Haarlemer Landsehafter. In der voll bezeichneten Landschaft der Schweriner
Galerie, „Einsame Stromlandschaft" benannt (Nr. 1099), wird man denselben Künstler kaum wieder
1 Dies ersahren wir durch Carpenter, der im Jahre 1628 eine Zahlung des englischen Hoses im Betrage von 80 L. St. an C. Vroom sür
gelieserte Bilder anführt.
 
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