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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Graul, Richard: Adolf Schreyer, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0172
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verschiedentlichen Skizzen und Studien, welche diesem Aussatze
beigegeben sind, beweist, mit welcher Sicherheit und auf wie
geistvolle Weise seine Hand selbst in flüchtigen Zeichnungen das
Charakteristische des Gegenstandcs niederzuschreiben geschickt
ist. Besonders das Pferd, das doch den Hauptinhalt seines ganzen
Wirkens bildet, hat er mit so durchdringendem Verständniss für
seine vielartigen Erscheinungsformen erfasst, dass er es mit den
bescheidensten Mitteln auf das Anschaulichste zu charakterisiren
vermag. Er kennt das Pferd in seinem innersten Wesen; nach
Race, Befähigung und Thätigkeit hat er es ergründet, wie es,
struppigen Anblicks, im Dienste des Wallachen sseh plagt und wie ein vierfüssiger Knecht sleh
abmüht, oder wie es, der einzige Stolz und nächste Freund des Arabers, in derWüste der Berberei frei
sseh tummelt und wie ein Waffenbruder seines Herrn mitkämpft und mitempfindet. Jede Bewegung
des edlen Thieres hat für den Künstler ihren Sinn, verräth eine Absicht, die er anzudeuten weiss.
Er zeigt das Thier in seiner vollen Individualität, ohne es wie Sir Edwin Landseer zuweilen oder
auch Teutwart Schmitson anthropomorphisch mit allzu mensehlichem Empfinden zu beseelen.
Namentlich die lebhafte Beweglichkeit des Pferdes hat Schreyer mit grösster Liebe und unermüd-
lichem Fleisse studirt und bei aller Exaötheit der Naturbeobachtung hat er in hohem Grade jene
künstlerische Freiheit der Auffasfung bewahrt, welche die Bewegungsmomente bedächtig nach der
Auffasfungskraft unseres Auges wählt und alle Seltsamkeiten der Bewegungsphasen dem Moment-
photographen überlässt. Innerhalb dieser künstlerischen Grenze bewegt lieh Schreyer's Zeichnung
mit unübertrefflicher Freiheit. Wie naturwahr hat der Künstler in seinem Bilde »Der brennende
Pferdestall« (siehe die Ätzung danach auf nebenstehender Seite) die wilden Bewegungen der aus-
brechenden Pferde wiedergegeben! Der Stall ist in Brand gerathen, gewaltsam haben sich die Thiere
losgerisfen und jagen in stürmischer Hast hinaus ins Freie. Eine Barriere hemmt ihren Lauf, einige
setzen über, andere straucheln, bleiben müde und matt an den Latten hängen und stürzen nieder.
Ein anderes Bild, das unter dem Namen »Der Schrecken« bekannt ist, ragt durch nicht gerin-
gere Lebendigkeit der Zeichnung hervor. Endlos dehnt sich die Sandwüste aus, eine unheimliche
Dämmerung lagert auf der Erde, welcher nur noch ein bleicher Lichtstreif vom äussersten Rande
des Horizontes einen matten Schein sendet. Ein Araber durchreitet diele Öde. Da plötzlich enthüllt
sich ihm ein grauenvoller An-
blick: über dem verwesenden
Körper des Herrn liegt ein
Pferd dahingestreckt. Wie das
Ross des Arabers den Geruch
wittert, wirft es sich hastig mit
einem wilden Satz zur Seite,
bäumt sich ungestüm auf und
sträubt seine Mähne, bläht die
Nüstern und peitseht die Luft
mit den Vorderfüssen. Hielte
der Reiter das Ross nicht zu-
rück, wie ein Pfeil würde das
Thier fortstürmen in ratender




Wallachen zu Pfirä.
 
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