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Dürer und feinen Zeitgenoffen) als der Gelehrte über der Arbeit
in feinem wohnlichen Heim, fondern als ein Wüftenheiliger von
athletifchen Formen, braun gebrannt von der Sonne Afrikas,
abgehärmt und unter fchweren Bufsübungen ganz von der Welt
abgewandt. In der Galerie zu Dresden hängt das eine diefer Bilder,
unmittelbar neben einem Bilde feines Lehrers mit dem gleichen
Motiv; ein zweites ebenfo umfangreiches Hieronymusbild befitzt
die Galerie in Stockholm, das fich, wie das Dresdener Bild, früher
in Rubens’ Sammlung befand. Diefes letztere hat in feinem
kühleren Tone und einer wenigftens theilweife noch forgfältigen
Behandlung noch mehr Verwandtfchaft mit Rubens, insbefondere
gerade mit deffen ebengenanntem Hieronymusbilde. In dem Dres-
dener Bilde ift eine fo eigenthümlich wilde Begeifterung, die mit
der wettergebräunten derben Geftalt, mit der wilden landfchaft-
lichen Umgebung fo zufammenftimmt und in dem leuchtend
warmen, tiefen Ton und dem erftaunlich kecken Auftrage der
Farben einen fo entfprechenden Ausdruck findet, dafs daneben
der trefflich gezeichnete und fein empfundene Hieronymus von
Rubens faft kalt und nüchtern erfcheint. Diefem Bilde in Färbung
und Auffaffung verwandt ift die Halbfigur des Heiligen in der
Galerie zu Madrid. Das Hieronymusbild der Liechtenftein-Galerie ift diefem Bilde, ift felbft dem
Stockholmer Gemälde nicht ganz gewachfen; aber zur Charakteriftik des Künftlers in diefer erften
Zeit gibt es doch intereffante Auffchlüffe. In feinem rückfichtslofen Realismus geht van Dyck hier fo
weit, dafs er zu feinen Heiligen ohne Scrupel ein buckliges Modell wählt, einen häfslichen Alten mit
mageren Armen und dünnen Lenden, die von einem Mantel nur theilweife verhüllt werden. Die
leuchtend rothe Farbe diefes Mantels contraftirt malerifch mit dem feinen Blau des Himmels, auf
dem fich der Kopf des Heiligen mit feinem ftraffen grauen Haar wirkungsvoll abhebt. Die Behandlung
ift von aufserordentlicher Breite; die Untermalung ift nur theilweife mit körnig aufgefetzter Farbe
gedeckt. Manche Theile, wie der fchlafende Löwe zu den Füfsen des Heiligen, find geradezu flüchtig
und offenbar aus dem Kopfe gemalt.
In einem zweiten Gemälde der Sammlung mit religiöfem Vorwurf, in der »Maria mit dem
Kinde« (Nr. 67), ift zwar die Hand des Meillers nicht zu erkennen. Das Bild ift eine Werkftatt-
wiederholung oder alte Copie, wie ähnliche in der Galerie in Buckingham Palace, in Hampton Court,
Braunfchweig, Blenheim und an anderen Orten vorkommen, die auf ein Original aus dem Anfänge
der Dreifsiger-Jahre zurückgehen. Diefes befindet fich jetzt in der Galerie zu Dulwich, als Gegen-
ftück einer »Caritas«, gleichfalls von der Hand des van Dyck. Da das Bild in einem Zimmer
mit dem Hieronymus hängt, fo bietet es Gelegenheit, die aufserordentliche Veränderung kennen
zu lernen, welche mit van Dyck namentlich während feines Aufenthaltes in Italien vorging. Den
ungeftümen, leidenfchaftlich bewegten Rubens-Schüler, wie er uns in dem Hieronymus und
namentlich in zahlreichen gleichzeitigen Compolitionen mit mehreren Figuren entgegentritt, würden
wir in der akademifchen Schönheit diefer gar zu abfichtlich pofirten Geftalten von Mutter und Kind,
in dem verzückt nach oben gewendeten Blick der Maria, in der faft geleckten Durchführung und
der kühlen Färbung diefes Bildes kaum wiedererkennen. Ein fchwärmerifch romantifcher Zug,
meift mit einer ftarken Beimifchung von weiblicher Empfindfamkeit und Koketterie, ein äufserliches

Der Reiter. Öljkizze von van Dyck.
(Galerie Liechtenftein.)
 
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