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des dreissigjährigen Krieges verfiel, spielt in den classischcn Waldlandschaften Elsheimers, mit
ihrem heimlichen Dunkel und ihrer idyllischen Staffage. Erst fast zwei Jahrhunderte später rührt
sich wieder echt deutseher Geist auch in der Kunst: in Carstcns, Cornelius, Rethel kommt jener
grübelnde, phantasievolle Zug in herbem Ernst und mächtiger Form, in Ludwig Richter und
Schwind in märchenhaft reizender oder humoristischer Weise zur Erscheinung; in neuester Zeit hat
er unter der Führung von Boccklin in Klinger, Stuck, Hofmann und Anderen eine ausgesprochen
malerische Richtung mit einem phantastischen Anflug angenommen. In dieler Richtung, die der
künstlerische Ausdruck des philosophischen Charakters unseres deutsehen Geisteslebens ist, hat die
deutsehe Kunst in ihrer Blüthezeit die höchsten Triumphe gefeiert, sie ist darin zuerst wieder zu
neuem Leben erstarkt und hat seither in allen verschiedenen Phasen unserer Kunstentwicklung ihre
Vertreter gehabt, die in der Kunstgeschichte unter den deutsehen Künstlcrn, gerade wie es in der
Vergangenheit gewesen ist, auch in Zukunft obenan slehen werden.
Auch unter den jungen Künstlern, die um die Mitte dieses Jahrhunderts nach Frankreich
pilgerten, in der Erkenntniss, dass sie nur hier Sicherheit im Zeichnen und volle Wiedergabe der
farbigen Erscheinung erlernen könnten, waren mehrere, die selbst in Paris unter dem mächtigen
Einflusse der französischen Kunst und im begeisterten Anschlusse an dieselbe doch ihre sinnige
deutsehe Art beibehielten. Dies gilt in gewisfer Weise von Anselm Feuerbach, gilt namentlich
von Gustav Spangenberg und Rudolf Henneberg. Wenn man diese Künstler neuerdings nur als
»verhältnissmässig gute Techniker« charakterisirt hat, »die, aus Paris zurückgekehrt, das Evangelium
der Farbe in Deutschland lehrten, aber als es etwas Alltägliches geworden, wenig mehr über das
gewöhnliche Niveau sich erhoben« (Muther), so hat man ihnen, zum Theil wohl aus ungenügender
Kenntniss ihrer Leistungen, arges Unrecht gethan. Der stärkste Vorwurf, den man sowohl
Spangenberg als Henneberg machen kann, ist gerade der ihres mangelhaften technischen Könnens
und gewisser coloristischer Mängel, die namentlich Spangenberg nie ganz überwunden hat; aber
über das »Niveau« haben sich beide wahrlich erhoben.
Was diese Generation zumeist sehr begabter Künstler an technischen und eoloristischenVorzügen
sich in Paris aneignete, ist seither weit überholt worden; ihr Verdienst, jene Vorzüge der'
französischen Kunst auch in der deutsehen Malerei heimisch gemacht zu haben, gehört der Geschichte
an, aber gerade in ihren Compositionen, in den Schöpfungen ihres echt deutsehen Empfindens
haben mehrere unter ihnen dauernd einen Platz unter Deutschlands Künstlern sich erworben.
In dieser Künstlerschaar sleht Rudolf Henneberg obenan durch den Reichthum seiner Phantasie,
die Frische seiner Empfindung, durch die glückliche Verbindung derselben mit einer unmittelbaren,
naiven Anschauung der Natur und durch die Kraft seiner Färbung. Jetzt, wo die neueste Strömung
im Kunstleben aus den einfachen Naturschilderungen, die nur durch den Zauber von Licht und
Luft zu wirken bcabsichtigen, wieder zu phantasievolleren, farbensehimmernden Schöpfungen sich
hinneigt, muss das Bild eines Künstlers, der vor einem Menschenalter Verwandtes in ganz eigen-
artiger, wenn auch von der heutigen Kunst abweichender Art angestrebt hat, mehr als historisches
Interesse erwecken.
Henneberg war nicht zum Künstler bestimmt und in keiner Weise auf die Künstlerlaufbahn
vorbereitet, als er mit fünfundzwanzig Jahren, damals schon juristischer Beamter, nach langen
Kämpfen von seinem Vater die Erlaubniss erhielt, sich — wenn auch nur »zum Vergnügen« —
als Maler auszubilden. Dies hat auf den Charakter von Hennebergs Kunst nach verschiedenen
Seiten dauernd und bestimmend eingewirkt. Schon zum Manne gereift, begann er erst
mit den Anfangsgründen der Malerei; daher haben ihm sein Lebelang das Zeichnen und die
 
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