Johannes Vermeer.
AHLREICHE enthusiasmirtc Kunstliebhaber, welche die königliche Gemälde-Galerie im
Haag besuchen, machen einen Abstecher nach dem nahegelegenen Städtchen Delft, um
dort die Stelle aufzusuchen, von der aus der »Delft'sche Vermeer« die herrliche Ansicht
seiner Vaterstadt aufgenommen hat, welche jetzt einen der Hauptschätze der Sammlung
im Mauritshuis ausmacht. Jedermann kennt das Bild: das langgestreckte Profil der Stadt jenseits des
Wasfers, mit dem sandigen Vordergrund, der ebensostark von der Sonne beschienen wird, wie jenseits
die Dächer und der Kirchthurm, alles strahlend von Licht und Wärme und drüber die herrliche
Wolke, plastisch schwebend in der blauen Luft, so wie es erst in diesem Jahrhundert Jacob Maris
wieder darzustellen vermocht hat. Viel von dem alten Zustande findet man in Delft freilich nicht
mehr vor; die beiden malerischen Thore sind verschwunden und der Thurm der neuen Kirche, der
sonnenbeleuchtet über die Dächer zu uns herüberblickt, hat eine moderne kalt-eiserne Spitze
bekommen. Der Name Vermeers aber ist unzertrennlich mit jener Stelle, mit Delft überhaupt,
verknüpft, und kein zweiter holländischer Künstler steht in so engem Zusammenhang mit dem Orte
seiner Geburt und seiner Thätigkeit wie er.
Versuchen wir in kurzen Worten seinen Lebenslauf zu schildern.
Als der unter dem Namen W. Bürger allgemein bekannte Franzose Thore vor fünfunddreissig
Jahren als erster dasselbe zu thun unternahm, stand er noch vor lauter Räthseln. Heute sind wir
glücklicher, dank den archivalischen Untersuchungen von Havard, Obreen und Bredius. Wir wissen
jetzt, dass der Künstler am 31. Oclober 1632 in Delft getauft wurde, am 5. April 1653 dort die
Catharina Bolnes oder Bolenes heiratete und sie bei seinem Tode im December 1675 als Witwe mit
acht unmündigen Kindern zurückliess. Auch das Datum seiner Aufnahme in die Delfter Lucas-
oder Malergilde ist uns überliefert, es war der 29. December 1653. Wiederholt war er Hauptmann
dieser Genossenschaft, und zwar in den Jahren 1662 und 1663, 1670 und 1671.
Dies ist das Gerippe seines äusseren Lebens. Er war ein Delfter Kind und hat sein ganzes
Leben in dieser Stadt zugebracht. Trotzdem er anseheinend wiederholt mit Geldsorgen zu kämpfen
hatte, entslammte er, wie seine Frau, offenbar einer wohlhabenden Familie, denn beide machten
öfters Erbschaften, und sie wurde schliesslich, dreizehn Jahre nach dem Tode ihres Gatten, von
zwölf Leichenträgern zu Grabe getragen!
Weniger ergiebig als über Vermeers Leben sind die neu erschlossenen archivalischen Quellen
über seine Kunst gewesen. Das Wenige, was wir davon aus zeitgenüsfischen Nachrichten wissen,
wussten wir von altersher: aus der Stadtbeschreibung Delfts von Bleyswijk, aus dem Reisejournal
AHLREICHE enthusiasmirtc Kunstliebhaber, welche die königliche Gemälde-Galerie im
Haag besuchen, machen einen Abstecher nach dem nahegelegenen Städtchen Delft, um
dort die Stelle aufzusuchen, von der aus der »Delft'sche Vermeer« die herrliche Ansicht
seiner Vaterstadt aufgenommen hat, welche jetzt einen der Hauptschätze der Sammlung
im Mauritshuis ausmacht. Jedermann kennt das Bild: das langgestreckte Profil der Stadt jenseits des
Wasfers, mit dem sandigen Vordergrund, der ebensostark von der Sonne beschienen wird, wie jenseits
die Dächer und der Kirchthurm, alles strahlend von Licht und Wärme und drüber die herrliche
Wolke, plastisch schwebend in der blauen Luft, so wie es erst in diesem Jahrhundert Jacob Maris
wieder darzustellen vermocht hat. Viel von dem alten Zustande findet man in Delft freilich nicht
mehr vor; die beiden malerischen Thore sind verschwunden und der Thurm der neuen Kirche, der
sonnenbeleuchtet über die Dächer zu uns herüberblickt, hat eine moderne kalt-eiserne Spitze
bekommen. Der Name Vermeers aber ist unzertrennlich mit jener Stelle, mit Delft überhaupt,
verknüpft, und kein zweiter holländischer Künstler steht in so engem Zusammenhang mit dem Orte
seiner Geburt und seiner Thätigkeit wie er.
Versuchen wir in kurzen Worten seinen Lebenslauf zu schildern.
Als der unter dem Namen W. Bürger allgemein bekannte Franzose Thore vor fünfunddreissig
Jahren als erster dasselbe zu thun unternahm, stand er noch vor lauter Räthseln. Heute sind wir
glücklicher, dank den archivalischen Untersuchungen von Havard, Obreen und Bredius. Wir wissen
jetzt, dass der Künstler am 31. Oclober 1632 in Delft getauft wurde, am 5. April 1653 dort die
Catharina Bolnes oder Bolenes heiratete und sie bei seinem Tode im December 1675 als Witwe mit
acht unmündigen Kindern zurückliess. Auch das Datum seiner Aufnahme in die Delfter Lucas-
oder Malergilde ist uns überliefert, es war der 29. December 1653. Wiederholt war er Hauptmann
dieser Genossenschaft, und zwar in den Jahren 1662 und 1663, 1670 und 1671.
Dies ist das Gerippe seines äusseren Lebens. Er war ein Delfter Kind und hat sein ganzes
Leben in dieser Stadt zugebracht. Trotzdem er anseheinend wiederholt mit Geldsorgen zu kämpfen
hatte, entslammte er, wie seine Frau, offenbar einer wohlhabenden Familie, denn beide machten
öfters Erbschaften, und sie wurde schliesslich, dreizehn Jahre nach dem Tode ihres Gatten, von
zwölf Leichenträgern zu Grabe getragen!
Weniger ergiebig als über Vermeers Leben sind die neu erschlossenen archivalischen Quellen
über seine Kunst gewesen. Das Wenige, was wir davon aus zeitgenüsfischen Nachrichten wissen,
wussten wir von altersher: aus der Stadtbeschreibung Delfts von Bleyswijk, aus dem Reisejournal