Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



64
Die Weltausstellung von Chicago musste
jedes offene Auge davon überzeugen, dass Nord-
amerika auch in der Kunst den Kinderschuhen
längst entwachsen ist und sich rühmen darf, nach
Ablauf des ersten Jahrhunderts seiner Selbständig-
keit ein glänzendes Zeugniss von seinem Kunsl-
vermögen abgelegt zu haben.
Das vorliegende Werk, eine Prachtleistung
der Typographie und der Buchillustration, gibt
davon auch in seiner Weise wieder überraschende
Kunde. Es führt uns malerische Anssehten von
der Ausstellung, ihre Hauptgebäude, den reichen
plastischen Schmuck der Bauten und Plätze,
endlich eine Auswahl der in Chicago vereinigt
gewesenen modernen Kunstschöpfungen in tech-
nisch meisterhaften Reproduktionen vor. Auch wer
die Columbischc Weltausstellung nicht gesehen
hat, kann aus der Durchsicht des Walton'schen
Werkes einen Begriff von den amerikanischen
Kunstzuständen der Gegenwart gewinnen.
Zunächst von dem hohen Stande der nord-
amerikanischen Baukunß. Die Architekten der
Columbischen Ausstellung, D. H. Burnham und
J. W. Root, welche unter der Oberleitung des
Ausstellungsdireclors George R. Davis die Um-
wandlung des Jackson-Parks am Michigan-See in
die malerische Gruppe der Ausstellungsbauten durchführten,
brauchen mit keinem ihrer Vorgänger auf demselben Gebiete den
Vergleich zu scheuen. Ja, das Urtheil manches europäischen
Fachmannes über sie lautete geradezu dahin, dass Grossartigeres
als die Ausstellungsgebäude von Chicago überhaupt noch niemals
zu ähnlichen Zwecken geschasfen worden sei. Die Reize der Lage,
der Complex von Insein, Parkanlagen und Quais, die Nähe des
weiten Wasferspiegels und das unvergleichliche Zusammenwirken
eines riesigen Land- und Seeverkehrs trugen allerdings ihr Theil
dazu bei, um den Architekten ihre Aufgabe zu erleichtern. Aber
deren Verdienst wird dadurch nicht geschmälert: es besteht vor
Allem darin, dass sie sich durch all' diesen Zauber der Natur und
der Lage nicht haben zerstreuen lasfen und den Hauptgebäuden
der Ausstellungsgruppe einen monumentalen Charakter aufzu-
drücken verstanden. Auch in Chicago drängte selbstverständlich manches Exotische und Ephemere
sich ein; das liegt im Wesen dieser internationalen Aussiellungsmärkte. Aber die Idee des Ganzen,
der nationale und politische Grundgedanke der Columbian Exposition wurde dadurch keineswegs
erstickt: er kam in den grossen, classisch durchgebildeten Hauptgebäuden, ihren edlen Verhältnissen,


Vor der Südsront des Tramportgebäudes.
(Zeichnung von A. F. Gorguet.)
 
Annotationen