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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 18.1895

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Heft VI
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Bode, Wilhelm von: Die Fürstlich Lichtenstein'sche Galerie in Wien, [5]: Die altniederländische und die altdeutsche Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.4066#0160
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denen noch die Verkündigung in der Münchener Pinakothek und andere gehören, sei hier ein
bisher in der Literatur unbekanntes, kleines Porträt von der Hand des Künstlers erwähnt, das aus
der Sammlung des Marchese Frescobaldi in Florenz (ursprünglich befand es sich gleichfalls in Santa
Maria Nuova) kürzlich nach dem Auslande verkauft worden ist. Es Hellt, laut dem alten Mono-
gramme auf der Rückseite, gleichfalls ein Mitglied der Familie Portinari dar, einen jungen,
hässlichen Mann mit glatt geschorenem Haar, die Hände gefaltet, vor landsehaftlichem Grunde.
Zeichnung und Modellirung der Hände allein würden Hugo van der Goes erkennen lassen, wenn
er auch hier nüchterner und kleinlicher erscheint als in den herrlichen Bildnissen des grossen Altars
im Florentiner Hospital.
Das Altärchen der Liechtenstein-Galerie ist eigenthümlich componirt: die Anbetung der Könige
ist so dargestellt, dass Maria mit dem einen vor ihr knieenden König und Joseph in der Mitte, die
beiden anderen Könige auf dem linken Flügel, auf dem rechten der knieende Stifter und hinter ihm
sein Schutzheiliger vertheilt sind. Die Farbe ist satt und kräftig und ungewöhnlich tief; auf den
Flügeln heben sich die Köpfe wirkungsvoll von dem tiefblauen Himmel ab. Die Figuren zeigen die
charakteristische Zeichnung und die Typen des Künstlers, jedoch edler und schöner, als wir sie sonst
bei ihm finden. Auf der Rückseite ist, grau in grau, die Verkündigung dargestellt.
Die beiden Bilder von Hans Meinung sind charakteristische, eigenhändige Werke seiner
früheren oder mittleren Zeit. Das grössere (Nr. 733) ist nach dem schmalen Hochformat wohl sicher
das Mittelbild eines Triptychons: Maria, das Kind auf dem Arme, ist slehend in einem gothischen
Innenraum dargestellt, ihr zur Seite der knieende Stifter mit dem heiligen Antonius von Padua;
an der Rückwand ein Baldachin aus prächtigem Burgunder Sammet; durch die offene Thür sicht
man ein kleines Stück Landsehaft. An der Wand ist, in ungewöhnlicher Weise, die Jahreszahl 1472
angebracht. Die Figuren sind beinahe halblebensgross, aber nicht so unbelebt und kräftiger in der
Färbung, als sonst seine grösseren Figuren: wie im Altar der Marienkirche zu Lübeck, in derBatseba
der Stuttgarter Galerie und namentlich in den lebensgrossen Halbfiguren der Engel auf den
Orgelbildern aus Spanien, die kürzlich trotz ihrer Nüchternheit und Einförmigkeit zu dem Preise
von 240.000 Francs an die Antwerpener Galerie verkauft worden sind.
Das zweite Bild (Nr. 725) ist eine jener untereinander sehr verwandten Madonnendarstellungen
Memlings, von denen mehr als ein halbes Dutzend erhalten ist. Maria ist slehend in halber Figur,
etwa zweidrittel lebensgross dargestellt, das nackte Kind auf dem Arme, das nach einem Apfel
greift, während es gleichzeitig die Rechte segnend erhebt. Hinter der Figur ein Baldachin in tiefer
Farbe, an ein Paar farbigen Säulen rechts und links befestigt. In der Kraft der Färbung, in der
Feinheit der Modellirung und des Fleischtons, in der andächtigen Stimmung, die von dem milden,
frommen Ausdruck der Maria ausströmt, ist das Bild eines der hesten dieser Art. Muthmasslich
war es, wie wir es noch bei der schönen Madonna mit dem Stifter Martin von Newenhoven sehen,
ursprünglich mit einem Bildnisse zusammen als Diptychon oder auch als Triptychon gedacht. Ein
solches Triptychon hat kürzlich Richard Schöne in dem Berliner Madonnenbild und den beiden
Bildern eines Stifters und seines Schutzheiligen in der Usflziengalerie zu Florenz erkannt; sie
stimmen nicht nur in den Massen genau überein, sondern die Flügelbilder sind auch aus der
Perspecftivc des mittleren Madonnenbildes heraus gemalt.
Für Memlings Schaffensfreude und Leichtigkeit des Schaffens ist es bezeichnend, dass bei der
verhältnissmässig schon bedeutenden Zahl seiner beglaubigten Werke in neuerer Zeit fast jährlich
eines oder mehrere noch hinzugefunden werden. So hat Dr. Bredius für die Galerie des Haag in
diesem Frühjahr in London ein besonders energisches Jünglingsporträt vor landsehaftichem Grunde
 
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