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im Princip so einfach wie unser Kupferstich oder der Steindruck. Aber
eine Menge kleiner Praktiken und Handgriffe gibt es, deren Kenntnis
nöthig ist, die vom Vater auf den Sohn, vom Meister auf den Gesellen
überkommen sind. Holzschneider und Farbendrucker sind in Japan
ein Werkzeug des Malers. Peintres-graveurs in europäischem Sinne hat
es in Japan nie gegeben. Es ist bekannt, dass Utamaro und Hokusai für
bestimmte Verleger gearbeitet haben und ein bestimmter Holz-
schneider und Drucker arbeitete nur dienlich den Bestrebungen der
Meister: geradeso wie fast drei Jahrhunderte vorher die Holz-
schneider des grossen Meisters von Nürnberg seinen Linien das
Relief gaben. Es gibt manches Gleiche in der Technik des alten
deutschen Holzschnittes und in dem der Japaner. Nürnberg und —
Tokio! Jahrhunderte und Tausende von Meilen! Raum und Zeit . . .

Die Meister sind dahin gegangen. Der letzte, Hiroshige, nahm
das Erbe mit sich, der Stil ist verloren gegangen. Der japanische
Farbenholzschnitt ist heute nur mehr ein Reproductionsverfahren.
Geradeso wie bei uns der Holzstich.* Die Werke der Blütezeit
sind als Farbenholzschnitte gedacht, erfunden und ausgeführt
mit den einfachsten Mitteln, mit wenigen Farbplatten ist durch Com-
bination die grösste Wirkung erzielt. Heute zeigt uns der Drucker, dessen Voreltern die Blätter
Koriusais und Utamaros gedruckt haben, 48 Farbplatten, die für ein Blatt verwendet wurden, und
ist stolz, mit dem europäischen Reproductionsverfahren wetteifern zu können.

Der europäische Einfluss hat in die japanische Kunst eine Bresche geschlagen, die sie dem Unter-
gange zuführt. Die europäischen Anilinfarbenhaben mit ihrem falschen Glänze schon um die Mitte
des Jahrhunderts mit dazu beigetragen, den Rückgang des Geschmackes zu beschleunigen. Schon
die letzten Blätter Hiroshiges sind grob in der Farbenwirkung, und Kunisada und seine Schule
geben der Farbe den Rest. Im Schneiden selbst ist die Kunst der Künstelei gewichen. Nicht der
Charakter der einfachen kalligraphischen Holzschnittlinie wird wiederzugeben gesucht, sondern der
Pinselstrich mit seinen tausend Zufälligkeiten. Die Kenntnis des europäischen Holzstiches übt eine
schlechte Wirkung aus. Mit dem Schneidemesser sucht der Holzschneider das feine Liniennetz
des europäischen Tonstiches nachzuahmen, setzt allzu oft Buxbaumstücke in seine Kirschholzplatte
ein und sucht seinen Ehrgeiz darin, eine ähnliche Wirkung mit dem Messer zu erzielen wie der
Europäer mit dem Stichel. Der Druck selbst hat im Laufe des Jahrhunderts nur wenige Neuerungen
aufzuweisen. Er ist in seiner Wesenheit so einfach, dass man nicht viel ändern kann, geradeso
wie unser Stein- und Kupferdruck seit Beginn ihrer Anwendung nur unwesentliche Änderungen
erfahren haben. Nur werden heutzutage Hilfsmittel angewendet, die den Drucken viel von ihrem
eigenartigen Reiz nehmen. Der japanische Holzfarbendruck ist eine Art Al-fresco-Druck. So wie

*Es ist schier unbegreiflich, dass sich noch niemand gefunden hat — in einer Zeit, wo so viel über Kunst und Kunstübung geschrieben
wird — der der Begriffs- und Wortverirrung, die heutzutage mit dem Worte »Holzschnitt« verbunden ist, an den Leib gegangen wäre. Immer
wieder heisst es »Holzschnitte«, »Meisterwerke der Holzschneidekunst« etc. bei Arbeiten, die mit dem Holzschnitte technisch und
ästhetisch nur das Eine gemeinsam haben, dass Holz bei beiden Techniken verwendet wird. In Hirnholz (Buxbaum) werden mit dem Stichel
Hol.zstiche gestochen, in Langholz werden mit dem Schneidemesser Holzschnitte geschnitten! Hie Holzstich oder Tonstich
— da Holzschnitt oder Linienschnitt!!
 
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