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Wie er sich mühte, sie über kritische Zeiten hinwegzuführen, wie er ihre geschäftliche Aus-
dehnung förderte und dabei doch sorgte, dass ihre Seele, die ideale Aufgabe, um deretwegen sie
wirkte, nicht Schaden nehme — das wissen alle, die mit ihm gearbeitet haben.

Denke ich zurück an die Jahre, die mir vergönnt waren, unter seiner Leitung in Wien zu
arbeiten, dann treten vor allem die natürliche Kunstfreude, die leichte Erregbarkeit der Phantasie,
die hohe Begeisterungsfähigkeit vor das geistige Auge. Nichts Enges, Kleinliches lag in dieser
starken temperamentvollen Natur. Was Wieser angriff, führte er durch mit einer Energie, die das
lebendige Bewusstsein edler und hoher Zwecke aufrecht erhielt bis zum Ende. Bei der weiten
Spannung seiner künstlerischen Interessen und der entschieden fortschrittlichen Richtung seines
Geistes war das Arbeiten mit ihm voller Anregung, denn es führte weiter, wirkte nach. Ich bekenne
gern, was ich dem Beispiel dieses Mannes danke, dessen unermüdliche Arbeitskraft nur übertroffen
wurde von der Selbstlosigkeit seines gemeinnützigen Wirkens.

Wie er zu den Künstlern stand, von denen viele seiner Theilnahme unendlich viel danken,
spricht wieder für die Güte seines Wesens und die lautere Freude an dem ihren. Dass er in seiner
Kunstbegeisterung eine selbsterworbene Stellung einnahm und kein Freund mehr des Neuesten
um des Neuesten willen gewesen ist, das ist natürlich bei einem so-selbständigen und willensstarken
Manne. Aber er ist deshalb, weil manches ihm nicht zusagte, niemals ein Zweifler am Fortschritt
geworden. Gerade in vorausschauender Erkenntnis der grossen modernen Umwälzungen auf dem
Gebiete der vervielfältigenden Künste und Techniken bewährte sich die Genialität seiner Natur.
Wieser, der sich rühmte, einer der ersten Amateurphotographen gewesen zu sein, hat den Beginn
der photomechanischen Reproductionsverfahren von Anbeginn an gefördert. Und wenn Wien einen
Vorsprung auf diesem Gebiete erringen und bewahren konnte, so darf nicht vergessen werden, dass
Wieser eine der treibenden Kräfte in dieser fortschrittlichen Entwicklung gewesen ist.

So hat Leopold von Wieser nach zwei Richtungen hin mit grösstem Erfolge gewirkt; mit
der Gründung der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst und mit der Förderung der graphischen
Künste und des modernen Reproductionsverfahrens hat er aber ein und demselben Gedanken, der
Verallgemeinerung der Freude an der Kunst und des Glaubens an das Ideale gedient.

Was sein Wesen bestimmt und belebt hat — die warme Begeisterung für die Kunst, die
selbstlose Hingabe an eine grosse gemeinnützige Aufgabe und die gewaltige Thatkraft des Mannes
— das sind die wahren Ehrentitel seines Wirkens, — und nicht gibt es bessere Werber um den
Dank und um das Gedenken derer, die nach ihm bleiben!

Richard Graul.
 
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