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Vor die Öffentlichkeit ist er zuerst im vergangenen Herbst getreten mit einer Collectivausstellung
in der Bremer Kunsthalle. Es waren da Gemälde, ein Placatentwurf und Holzschnitte. Die Bilder,
in etwas schwerem düsteren Ton gehalten, schilderten Eindrücke von unserer norddeutschen
Wasserkante, eine mit Ziegeln gepflasterte Strasse, durch Baumreihen beschattet, ein altes
verlassenes Herrenschloss, einen Kutter im seichten Küstengewässer. Dazwischen hing das
Bildnis eines jungen Farmers mit hohen Reiterstiefeln und breitem Schlapphut.

Alles war ehrlich und schlicht aufgefasst und mit breiten sicheren Pinselstrichen ohne viel
Federlesens hingesetzt. Aber es war noch mehr als das. Unter den mancherlei Beiworten, mit
denen- man unsere moderne Kunst schmückt — lieb Kind hat bekanntlich viele Namen — heisst
eines suggestiv. Wer zuerst dies Wort von einer »anregenden Kunst« in Curs gebracht hat,
weiss ich nicht. Jedenfalls hat er unseren Sprachschatz glücklich bereichert. Suggestiv, zum mit-
schaffenden, ergänzenden Geniessen anregend, war die Malerei des jungen Albers in hohem
Grade. Worin diese Wirkung beruhte, das lässt sich, wie alles Letzte und Feinste in Sachen
bildender Kunst, nicht in ein paar Worte fassen. Das flächenhafte Stilisiren der Darstellung, das
Albers hie und da bis an die Grenze des Placatmässigen trieb, war jedenfalls nur eines seiner, ihm
selbst vielleicht unbewussten Mittel dafür.

Es ist ohneweiters klar, dass solch ein Künstler den Beruf zum Graphiker in sich trägt.
Verlangt doch die Schwarz-Weisskunst von vornherein, viel mehr als die Malerei, die Mitwirkung
der ergänzenden Phantasie des Beschauers. Sein Temperament führte unsern Albers auf den Holz-
schnitt, der ihm am ehesten die Mittel zu einer energischen Wirkung, wie er sie brauchte, an die
Hand gab. Er hat den Holzschnitt behandelt ähnlich wie Valloton, Veldheer oder gelegentlich
Otto Eckmann es gethan haben. Man braucht indessen darum noch nicht mit Entdeckermiene
einen besonderen persönlichen Einfluss zu constatiren. Die Künstler, die in einer bestimmten Zeit und
Geschmacksrichtung stehen, haben alle etwas Gemeinsames, mögen sie einander im Leben auch
gar nicht kennen und sich in ihren Werken nur zufällig begegnet sein. Albers liebt es, durch
Verwendung von zwei bis vier Stöcken seinen Blättern eine discrete Tonwirkung zu geben.
Am wirksamsten ist er wie so mancher andere in dem Allereinfachsten gewesen, in einem Gegen-
stande, der, in WTorten ausgedrückt, vollkommen nichtig ist. — Ein Balkongeländer im Schnee, da-
hinter dürres Gezweig, eine kahle Hauswand, ein paar schwarze Gartenplanken — vielleicht eine
zufällig erschaute Ecke hinter dem Elternhause. Aber dieses Nichts ist mit ein paar Strichen so
amüsant, so anschaulich und zugleich so decorativ geschildert, dass es kein raffinirter Japaner besser
machen könnte. — Von kaum minder drastischer Wirkung ist die alte Dame, die beim Lampen-
schein an ihrer Nähmaschine sitzt. (Reproduction auf S. 35.) Nicht immer will dem Künstler sein
nach japanischer Art in Wasserfarben ausgeführter Farbendruck glücken. Zuweilen hat er zu
freihändiger Tonung seine Zuflucht genommen — so in dem ausgezeichneten Blatte der Arbeiter,
die an einem Canal Eisschollen brechen.

Es hat etwas Missliches, so verlockend es sein mag, über einen werdenden Künstler sich
ausführlich zu äussern. Wir sehen wohl die verschiedensten Keime und Ansätze, wissen aber
nicht, in welcher Richtung er sich endgiltig entwickeln wird. So können wir unmöglich sagen,
ob Albers dereinst sein Bestes in Staffeleibildern, in der Graphik oder in der decorativen Kunst
leisten werde. Doch dessen sind wir gewiss, dass er das Zeug zu etwas Ausgezeichnetem hat.
Mögen nur Wind und Wellen seinem Lebensschifflein günstig sein.

Gustav Pauli.
 
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